Getrieben: Thriller (German Edition)
offen zugänglich waren, und auf jene, zu denen ihm der Zutritt verboten war. Das Medienzimmer gehörte zu den frei zugänglichen Räumen, und Balfour hielt sich darin etwas länger auf, um Jonathan sein Können in Call to Duty auf dem an der Wand montierten, 96 Zoll großen Plasma-Bildschirm zu demonstrieren und über den ohrenbetäubenden Sound der Dolby-Surround-Anlage zu schwadronieren.
Auch die hauseigene Disco stand Jonathan jederzeit offen. Obwohl es noch nicht einmal ein Uhr mittags war, dröhnte aus den Lautsprechern schon lauter House, und drei Blondinen in perlenbestickten Abendkleidern mit Champagnerflöten in den Händen ließen auf der Tanzfläche aus schwarzem Marmor lasziv ihre Hüften kreisen. Dabei versuchten sie angestrengt, nicht allzu gelangweilt auszusehen. Balfour stellte die drei als Kelly, Robin und Ochsana vor und ließ die Mädchen anschließend wissen, dass Jonathan ein hochgeschätzter Gast sei, um den sie sich besonders aufmerksam kümmern sollten. Die Frauen reichten ihm artig die Hand und musterten ihn mit unmissverständlichen Blicken. Jonathan sagte, er freue sich, ihre Bekanntschaft zu machen, und mutmaßte im Stillen, dass für die drei über hunderttausend Dollar in Schönheitsoperationen investiert worden waren.
Als sie die Treppe erreichten, die in den zweiten Stock führte, blieb Balfour plötzlich stehen und sagte alles andere als gastfreundlich: »Dort oben befindet sich mein Büro. Von dort aus regle ich Geschäftliches und Privates. Für Sie ist die gesamte Etage jedoch absolut tabu.«
Treten Sie in Gegenwart von Balfour immer selbstbewusst auf, hatte Connor ihm geraten. Sie sind das, was Balfour immer sein wollte: ein reicher, gebildeter Europäer. Er wird auf jede erdenkliche Art und Weise versuchen, Sie zu übertrumpfen. Lassen Sie nicht zu, dass ihm das gelingt, denn was Balfour mehr als alles andere hasst, ist Schwäche.
»Und wenn ich gerne noch mehr von Ihrer beeindruckenden Kunstsammlung sehen möchte?«, erkundigte sich Jonathan. »Noch einen Constable vielleicht?«
»Meine komplette Kunstsammlung befindet sich im Erdgeschoss.«
»Und wenn ich Sie sprechen muss?«, ließ Jonathan nicht locker, in dem Bewusstsein, dass er gerade eine Grenze austestete.
»Wenn nötig, werde ich Sie finden«, entgegnete Balfour. Er setzte wieder sein breites Lächeln auf, doch die Warnung in seinen Augen war nicht zu übersehen. »Falls ich Sie irgendwo dort oben antreffen sollte, werde ich höchstpersönlich dafür sorgen, dass Mr. Singh kurzen Prozess mit Ihnen macht. Haben wir uns verstanden?«
Der feindselige Tonfall schockierte Jonathan, und es gelang ihm nicht, das vor Balfour zu verbergen. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, und er suchte fieberhaft nach einer passenden Antwort. Für einen kurzen Moment verschmolzen Revy und Jonathan zu ein und demselben Mann. Am liebsten hätte er Balfour an seinem gestärkten weißen Hemdkragen gepackt und ihm gesagt, dass er ihm sein Grinsen aus dem Gesicht prügeln würde, wenn er es noch einmal wage, so mit ihm zu reden. Denk an deine Tarnung, meldete sich Emmas warnende Stimme von irgendwo in seinem Hinterkopf. Dr. Revy ist nicht der Typ für eine handfeste Prügelei. Widerstrebend gab Jonathan nach. Der frischgebackene Agent hatte schon seit einer Weile das Gefühl, dass ihm jede Sekunde der Kragen platzen würde. Er entschied, auf Balfours Provokation mit Humor zu reagieren. Ein reicher, gebildeter Europäer ließ sich nicht auf das Niveau eines südasiatischen Drecksacks herab.
»Aber wer soll dann dafür sorgen, dass Ihr Gesicht noch attraktiver wird, als es ohnehin schon ist?«, fragte er galant.
Balfour ließ sich die Frage durch den Kopf gehen und beschloss, auf Jonathans diplomatischen Ton einzugehen. In einer theatralischen Geste warf er den Kopf zurück und brach in viel zu lautes Gelächter aus.
Durch eine Hintertür gelangten sie vom Haupthaus ins Freie, und Balfour führte Jonathan über einen Pfad in einen Formschnittgarten, in dem die Sträucher die Gestalt von Bären, Wild und Füchsen hatten. Dahinter gabelte sich der Pfad. Links führte der Weg zu einem niedrigen fensterlosen Betonbunker mit Schindeldach. Auf einer der Karten, die Jonathan gesehen hatte, war dieses Gebäude als Werkstattschuppen bezeichnet worden, aber auf ihn wirkte es eher wie die Lagerhalle für eine Bombe. Neben dem Eingang standen zwei Männer mit Kalaschnikows vor der Brust. In der Nähe des Gebäudes parkte ein weiterer Range Rover
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