Getrieben: Thriller (German Edition)
mit weit offen stehenden Türen. Vier weitere Wachmänner warteten einsatzbereit mit den Waffen im Anschlag neben dem Wagen. Zwei Männer in weißen Kitteln waren gerade dabei, unter lautem Getöse ein Gerät in das Gebäude zu rollen.
»Was ist denn da drin?«, erkundigte sich Jonathan bei Balfour.
»Meine Zukunft«, entgegnete Balfour.
»Sieht gefährlich aus«, sagte Jonathan mit dem gleichen leicht ironischen Unterton, mit dem er bereits im Haus ganz gut gefahren war.
Balfour warf ihm über die Schulter einen Blick zu. »Kümmern Sie sich gefälligst um Ihre eigenen Angelegenheiten.«
Von einem OP-Saal wie diesem hatte Jonathan schon immer geträumt. Jedes Mal, wenn mal wieder ein Ventilator den Geist aufgab oder ein Pulsoximeter versagte, wenn nicht genug Klammern vorhanden waren und es nicht einmal einen simplen Notfallwagen gab, fluchte er still in sich hinein, schloss für einen Moment die Augen und stellte sich vor, in einem OP-Saal wie diesem arbeiten zu können. Hier gab es einen OP-Tisch von Stryker und ein Dräger Anästhesiegerät von der Größe eines Wäschetrockners. Natürlich gab es auch einen nagelneuen Notfallwagen und einen Defibrillator, ein Absauggerät und Monitore, die Herzfunktion, Puls, Blutdruck und Sauerstoffgehalt im Blut überwachten. Ganz zu schweigen von den Instrumenten. Auf einem Tablett mit einem Ablagegestell lagen Schere, Nadelhalter, Klammern, Zange und Arterienklemmen bereit, allesamt auf Hochglanz poliert. Wohin er auch blickte, alles war perfekt.
»Adäquat«, bemerkte Jonathan so arrogant, wie es sich für einen verwöhnten Chirurgen, dessen Klientel die Reichen und Berüchtigten waren, gehörte. »Ich denke, damit ließe sich arbeiten. Ja, ja, ja.«
Balfour runzelte besorgt die Stirn. »Habe ich etwas vergessen? Ich habe alles genau nach Ihren Vorgaben geordert.«
Jonathan rief sich die Bestellliste aus Revys Computer ins Gedächtnis. »Haben Sie den Ventilator mit dem HEPA-Filter bekommen?«
Mit langen Schritten eilte Balfour in eine Ecke des Raums. »Ja, einen Guardian 400.«
»Ausgezeichnet«, sagte Jonathan anerkennend. »Und meine Assistenten? Konnten Sie einen examinierten Anästhesisten und eine OP-Schwester auftreiben?«
Balfour versicherte ihm, dass er den Leiter der Anästhesiologie vom National Institute of Health und dessen Tochter als OP-Schwester angeheuert habe. Und Jonathan versicherte ihm, dass er damit zufrieden sei. »Ich bin ein wenig müde«, sagte er. »Und ich brauche etwas Zeit, um die Befunde der Bluttests zu lesen. Sollen wir uns heute Nachmittag um drei zu einer ersten Untersuchung treffen?«
»Einverstanden«, stimmte Balfour zu. »Wenn Sie Lust haben, können wir danach ein wenig ausreiten. Ich habe meinen Stallburschen gesagt, dass sie meinen Lieblingshengst satteln sollen.«
Der herausfordernde Blick in seinen Augen entging Jonathan nicht. Er dachte an Connors Vorschläge für mögliche Ausreden und verwarf sie sofort wieder. »Sehr gerne«, erwiderte er. »Das regt den Appetit für das Abendessen an.«
Nach einem kurzen Blick auf die Uhr schien es Balfour plötzlich sehr eilig zu haben. »Entschuldigen Sie mich«. sagte er zu Jonathan. »Ich habe noch eine Verabredung.«
Jonathan musste sich zusammenreißen, um ihm nicht zu dicht auf den Fersen zu folgen. Bislang hatte er noch keine Spur von Emma entdeckt, und bei dem Gedanken, dass sie vielleicht Balfours andere Verabredung sein könnte, platzte er fast vor Neugier.
53.
Schritt für Schritt schleppte sich Frank Connor die Stufen bis in den zweiten Stock hinauf. Auf jeder Stufe legte er eine kurze Pause ein, um seinem Herzen keinen Grund zu geben, im ungünstigsten Augenblick schlappzumachen. Als er endlich im Schlafzimmer angekommen war, legte er sich nicht wie gewohnt für zwanzig Minuten ins Bett, bevor er in sein geheimes Arbeitszimmer schlich. Wenn der Feind aus den eigenen Reihen kam, waren derartige Täuschungsmanöver sinnlos.
Connor goss deprimiert drei Finger breit von seinem besten Bourbon ein und leerte das Glas in einem Zug. Er war kein Mann für den Einsatz an der Front, das war er noch nie gewesen. Er war ein Mann, der im Hintergrund die Fäden zog: Er war der Stratege, der Überredungskünstler, ein Organisationstalent und manchmal auch ein Vermittler. Den grausigen Anblick der blutverschmierten Leichen von Malloy und dessen Frau konnte er nur schwer wegschieben. Wenigstens verschaffte ihm der Bourbon kurzfristig Erleichterung, und die angenehme Wärme des
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