Getrieben: Thriller (German Edition)
setzt?«
»Wollen Sie damit sagen, dass der Arzt bei einem chirurgischen Eingriff einen Fehler gemacht hat?«
»Ich will damit sagen, dass der Arzt, den ich gebeten habe, meinen kranken Vater zu behandeln, ihm die Kehle durchgeschnitten hat.«
Jonathan warf Balfour einen hilfesuchenden Blick zu. »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.«
»Mein Vater war ein Krieger «, fuhr Haq mit einer Betonung fort, die keinen Zweifel daran aufkommen ließ, gegen wen er gekämpft hatte. »Die Amerikaner hatten es auf ihn abgesehen. Für die Schmutzarbeit haben sie einen Arzt angeheuert. Sie werden sicher verstehen, weshalb ich Mr. Armitrajs Hochachtung vor Ihrem Beruf nicht ganz teile.«
»Ich kann nur wiederholen, was ich bereits gesagt habe. Dass Sie Ihren Vater auf diese Weise verloren haben, tut mir wirklich aufrichtig leid.«
»Ach ja?«, fragte Haq und beugte sich über den Tisch. Seine schwarzen Augen bohrten sich in die von Jonathan. »Sie kommen aus der Schweiz und sind Europäer. Also teilen Sie doch bestimmt den einseitigen Blick der westlichen Länder auf mich und meine Landsleute.«
»Ich versuche, mich so weit wie möglich aus der Politik herauszuhalten«, entgegnete Jonathan.
»Umso schlimmer«, sagte Haq mit abgrundtiefer Verachtung in der Stimme. »Sie sind also ein Mann ohne Prinzipien.«
»Ich kann Ihnen versichern, dass ich jede Menge Prinzipien habe«, konterte Jonathan. »Aber ich versuche nicht, sie anderen Menschen aufzuzwingen. Vor allem nicht denen, die ich gerade erst kennengelernt habe.«
»Bitte, bitte, meine Herren«, mischte Balfour sich ein und legte den beiden Männern beschwichtigend die Hände auf den Arm.
»Schon in Ordnung, Ash«, sagte Jonathan. »Mr. Shah hat allen Grund dazu, wütend zu sein. Ohne Zweifel trauert er noch immer um seinen Vater.«
»Meine Trauer hat nichts mit dem Hass auf jene verlogenen Ignoranten zu tun, die unter dem Vorwand, Frieden zu stiften, in mein Land eingefallen sind, um meine Brüder und Schwestern zu Sklaven zu machen.«
»Was Ihre Landsleute zu Sklaven macht, ist die Ignoranz, sprich die mangelnde Bildung, und die Armut, die, wenn ich Sie recht verstanden habe, so vehement von Menschen wie Ihnen vertreten werden.«
»Michel, bitte, muss das …«, warf Balfour gequält ein.
Wütend schleuderte Haq seine Serviette auf den Tisch. »Sie, Sir, haben keine Ahnung von meinem Land und sollten sich deshalb auch nicht anmaßen, unsere politischen und religiösen Grundsätze zu beurteilen.«
»Auch ohne detaillierte Kenntnisse kann ich Ihnen verraten, dass sich die erbärmlichen Zustände in Ihrem Land nicht ändern werden, solange Sie keine Schulen für die Kinder bauen, an denen neben den Jungen auch Mädchen unterrichtet werden.«
Haq sprang auf und funkelte Jonathan wütend an. »Das Wohlergehen unserer Kinder geht Sie absolut nichts an!«
»Sie irren sich«, widersprach Jonathan. »Wenn durch die politischen Verhältnisse in Ihrem Land auch die angrenzenden Staaten ins Chaos oder gar in den Ruin gestürzt werden, gerät über kurz oder lang die ganze Welt ins Wanken, und das betrifft uns alle …«
Eine laute Explosion, die von irgendwo auf dem Gelände zu kommen schien, ließ das Haus in den Grundfesten erzittern. Der Kronleuchter schaukelte hin und her, und die Lichter flackerten. Mit weit aufgerissenen Augen saß Balfour wie versteinert auf seinem Stuhl. Kurz darauf drang das Rattern von Gewehrsalven an ihre Ohren, gefolgt von einer zweiten Explosion, die entweder noch gewaltiger gewesen oder ganz in der Nähe des Hauses hochgegangen war. Im angrenzenden Raum zersprang eine Fensterscheibe und fiel eines der teuren Gemälde von der Wand. Sekunden später wurde in unmittelbarer Nähe ein Maschinengewehr abgefeuert. Das Echo der Schüsse hallte den Anwesenden schmerzhaft in den Ohren, und Yulia stieß einen hysterischen Schrei aus. Wie auf Kommando sprangen die Gäste vom Tisch auf. Einige von ihnen stürzten zur Tür, andere rannten panisch hin und her, wieder andere blieben wie versteinert am Tisch stehen und starrten ins Leere. Jonathan hatte das Gefühl, wieder in den Höhlen von Tora Bora zu sein.
»Diese verfluchten Inder«, sagte Balfour und legte seelenruhig die Serviette zurück auf den Tisch. »Sie wagen sich doch tatsächlich hierher, diese dreisten Mistkerle.«
»Ist sie in Sicherheit?«, wollte Haq wissen, der sich fast bedrohlich vor Balfour aufgebaut hatte. Jegliches Interesse an Jonathan war von einem noch dringenderen Anliegen
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