Getrieben: Thriller (German Edition)
würde Remora die Festplatte des Computers kopieren und alles über die eingerichtete LAN-Verbindung an Division weiterleiten. Es gab jedoch ein Problem: Sosehr sich Jonathan auch anstrengte, er konnte den PC selbst einfach nicht finden. Die Kabel des Monitors verschwanden unter dem Teppich. Suchend leuchtete Jonathan die Wände ab, fand aber absolut nichts.
Schon wieder eine Sackgasse.
Auf dem Flur waren erneut Schritte zu hören. Schwere Stiefel, genau wie vorhin. Mindestens zwei Männer. Jonathan hielt den Atem an, und die Schritte entfernten sich wieder. Erleichtert atmete Jonathan aus.
Dann machte er sich wieder an die Arbeit. Die oberste Schublade des Schreibtischs war abgesperrt, doch die darunter ließ sich leicht öffnen. Jonathan fand einen Prospekt von Revys Praxis, ein Streichholzheftchen aus Dubai, Stifte, einen Taschenrechner und noch andere, eher uninteressante Dinge darin. Er rüttelte noch einmal an der oberen Schublade, aber ohne Erfolg. Der Schreibtisch war ein antikes Modell mit konventionellen Schlössern. Wahrscheinlich hatte schon Mahatma Gandhi die Unabhängigkeitserklärung Indiens an diesem Schreibtisch unterzeichnet. Jonathan suchte nach dem Schlüssel für die Schublade, hatte aber wieder kein Glück. Er versuchte, das Schloss mit einem Brieföffner zu knacken, doch die Spitze war zu breit. Mit dem Licht der Taschenlampe leuchtete er den Schreibtisch ab. An einer Stelle blitzte etwas auf. Eine lange, spitze Schere. Jonathan steckte die Spitze der Schere ins Schloss und wagte einen neuen Versuch. Für das Aufbrechen von Schlössern hatte ihnen in Dannis Crashkurs am Ende die Zeit gefehlt. Hartnäckig stocherte Jonathan mit der Schere im Schloss herum. Als er auf einen Widerstand stieß, drückte er so fest es ging mit der Schere zu und spürte, wie das Schloss nachgab.
Behutsam zog er die Schublade auf. Auf einem Stapel Papier lag ein Kalender. Die Seite mit dem aktuellen Datum war mit einem Leseband markiert. Jonathan schlug die Seite auf und las die Einträge, die in Englisch geschrieben waren: »Mr. Revy – Emirates 12.00 Uhr.« In der nächsten Zeile stand: »Ankunft Haq. Vorbereitung Transport EPA. H18.« Er blätterte eine Seite weiter und las: »VAE 6171. 2000. PARDF Pascha.« Darunter waren eine Telefonnummer und die Initialen M. H. notiert. Jonathan erkannte in den ersten zwei Ziffern die internationale Vorwahl für Afghanistan.
Er blätterte noch eine Seite weiter und fand noch mehr Details, diesmal zu Flügen nach Paris und weiter nach St. Barts. Darunter standen Namen und Ortsangaben von Hotels und Banken, Regierungsbeamten und hohen Tieren von Unternehmen – alles für Balfours Start in ein neues Leben.
Sein geschulter Blick wurde von einem anderen Gegenstand in der Schublade in Bann gezogen: einem Messer. Matt und grau wie die Haut eines Hais. Jonathan nahm es in die Hand. Ein KA-BAR-Messer der Armee, auf einer Seite glatt geschliffen und auf der anderen gezackt.
Eine neue Explosion erschütterte die Fenster und erhellte für einen kurzen Moment das Zimmer. Lang genug jedoch für Jonathan, um den PC hinter einer Glastür in einem der Aktenschränke zu entdecken.
Er legte den Kalender zurück an seinen Platz. Als er die Schublade schloss, hörte er einen Wagen auf dem Parkplatz. Autotüren wurden geöffnet und kurz darauf wieder zugeschlagen. Jonathan warf einen Blick aus dem Fenster und sah, dass Balfour und Singh zurück waren.
»Sie können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben«, hörte er Balfour sagen. »Irgendjemand schießt auf uns. Wenn es nicht der indische Geheimdienst war, ist es eben die ISI, die mir Angst einzujagen versucht. Niemand kann mir weismachen, dass dort draußen keiner ist. Ich will die Mistkerle haben, verstanden?«
Jonathan eilte zum Schrank mit dem Computer, kniete sich hin und tastete mit der Hand nach einem Slot für den USB-Stick. An der Rückseite wurde er schließlich fündig. Hastig versuchte er, den USB-Stick in die Buchse zu stecken, doch der Spalt hinter dem PC war zu eng. Jonathan legte den Stick auf der Tischplatte ab und zog den PC ein Stück vor.
Dann tastete er immer noch kniend nach dem USB-Stick auf der Tischplatte über sich. Vergeblich.
Der USB-Stick war weg.
»Suchst du zufällig das hier?«
Jonathan erstarrte.
Die Stimme.
Das konnte nur sie sein.
Langsam richtete er sich auf und wandte sich um, um seiner Frau ins Gesicht blicken zu können. »Hallo, Emma.«
58.
Sie standen sich in Balfours dunklem Büro
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