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Getrieben: Thriller (German Edition)

Getrieben: Thriller (German Edition)

Titel: Getrieben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher REICH
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die OP«, sagte er. »Eine Menge Wasser, abgekocht und steril. Hamid, wickel dir einen Verband um den Hals, und zieh mir zwei Spritzen Lidocain auf. Außerdem brauche ich noch Verbandsmull, Skalpell und eine Pinzette. Das dürfte fürs Erste reichen.«
    Dann wandte er sich an Haq. »Ihr Vater wird von dem Eingriff nichts spüren, aber für Sie und Ihre Männer« – er zeigte auf die Wächter im Raum – »dürfte das Ganze hier ziemlich unangenehm werden. Ich schlage vor, Sie warten draußen.«
    »Die Männer haben schon viel Blut gesehen«, warf Haq ein.
    »Von Blut war auch nicht die Rede.«
    »Wir bleiben«, sagte Sultan Haq bestimmt.
    Jonathan spritzte dem Patienten drei Kubikzentimeter Lidocain in den Bereich um die Schwellung. Nachdem er ein paar Minuten gewartet hatte, machte er einen fünf Zentimeter langen Schnitt mit dem Skalpell und zog das Gewebe mit den Fingern auseinander. »Moskito.«
    Hamid setzte den Moskito ein, eine kleine gebogene Klammer, die das Gewebe auseinanderdrückte. Jonathan spritzte noch einen Kubikzentimeter Lidocain direkt in das Muskelgewebe. Darunter spürte er bereits den Druck des pochenden Abszesses.
    »Sie sollten besser etwas Abstand halten«, sagte Jonathan zu den Wächtern, die dicht hinter ihm standen und mit ihren Waffen auf seinen Rücken zielten.
    Die Männer sahen Haq fragend an, doch der schüttelte nur ablehnend den Kopf.
    »Ich habe Sie gewarnt.« Jonathan durchtrennte mit dem Skalpell die letzte Schicht des Gewebes. Ein Eiterstrahl schoss aus der Öffnung und traf einen der Wächter direkt ins Gesicht. Der Mann stieß einen entsetzten Schrei aus und versuchte angeekelt, mit der Hand den warmen Eiter abzuwischen.
    »Ruhe«, befahl Haq.
    Jonathan zog das Gewebe weiter auseinander und entdeckte einen großen gelben Eiterherd. Im Lehrbuch wurde Eiter als »faseriges, proteinöses Sekret« bezeichnet, doch als Mann der Praxis zog Jonathan es vor, die Dinge beim Namen zu nennen. Für ihn war Eiter schlicht eine »ekelige Schweinerei«.
    Mit den Fingern drückte Jonathan einen Teil des Eiters heraus und wischte ihn mit Verbandsmull ab. Dadurch verteilte sich der ekelerregende Gestank des über lange Zeit aufgestauten, luftdicht verschlossenen Wundsekrets in der Kammer. Er war schlimmer als der einer Lagos-Latrine an einem achtunddreißig Grad heißen Sommertag und ekliger als eine seit Tagen verweste Ratte voller Maden. Schlimmer als alles, was Jonathan je erlebt hatte.
    Der erste Wächter beugte sich vor und erbrach sich. Der zweite wandte sein Gesicht ab und kämpfte gegen den Brechreiz an.
    »Lust auf mehr? Keine Bange, das war nur ein Vorgeschmack.« Jonathan steckte seine Finger erneut durch die Wundöffnung und holte eine Eitermenge von der Größe einer Cokedose heraus. Mit vor den Mund gepressten Händen stürzten die Wächter fluchtartig aus dem Raum. Sogar Haq zog sich eilig in Richtung Tür zurück. Nur Hamid rührte sich nicht vom Fleck und verzog keine Miene.
    »Warum sind die Männer denn nur so schreckhaft?«, fragte Jonathan.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Hamid. »Vielleicht können sie kein Blut sehen.«
    »Da könntest du recht haben«, sagte Jonathan. »So, und jetzt weiter im Text. Säubern wir die infizierte Stelle.«
    In den nächsten Minuten injizierte Jonathan etliche Spritzen mit abgekochtem, sterilem Wasser in die Bauchhöhle. Um eine Infektion zu verhindern, musste die Wunde sorgfältig ausgespült und mussten alle Bakterien beseitigt werden. Abdul Haq war vielleicht der Staatsfeind Nummer eins, doch in diesem Augenblick schwebte er als Patient in Lebensgefahr, und Jonathan tat alles, um ihn zu retten.
    Anschließend nähte Jonathan das Muskelgewebe wieder zusammen. Damit auch die letzten Eiterrückstände aus der Bauchhöhle nach draußen fließen konnten, legte er mit einem kurzen Stück Gummischlauch eine Art Drainage. Mit zehn Stichen schloss er die Wunde um den Gummischlauch.
    Nach Beendigung seines Werks wandte er sich zu Haq um, der mit grünlicher Gesichtsfarbe im Türrahmen stand. »Das war’s.«
    »Wird er überleben?«, fragte Haq.
    »Das liegt in Ihrer Hand. Er muss sich in einer möglichst sauberen Umgebung erholen. Wenn sich die Wunde erneut infiziert, stehen die Chancen schlecht, dass er es noch ein zweites Mal schafft. Er ist ein zäher Bursche, aber so zäh wahrscheinlich dann doch nicht.«
    Abdul Haq tastete vorsichtig über die Wundnaht. »Ist alles gut gegangen?«, erkundigte er sich in Paschto.
    »Ja«, antwortete Jonathan.

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