Getrieben: Thriller (German Edition)
heran und loggte sich ins JWICS-Netz ein. Die Zivilisten hatten das World Wide Web. Für das Militär gab es ein eigenes Netzwerk, auf das Normalsterbliche keinen Zugriff hatten. Das Joint Worldwide Intelligence Communications System, kurz JWICS, wurde ausschließlich zum Austausch von Informationen mit der Klassifizierung »Topsecret« oder »Geheim« genutzt. Darunter befand sich auch eine Liste mit den weltweiten Stationierungsorten der US-Streitkräfte bis hinunter zur Bataillonsebene. Connor rief die Seite der Joint Special Operations Task Force – Afghanistan auf. Als Verantwortlicher war ein Colonel genannt, aber Connor wusste, dass die Spezialeinsätze von Freiwilligen durchgeführt wurden. Der Name eines Soldaten sprang ihm besonders ins Auge. Er hieß Lawrence Robinson, und er war Sergeant Major bei den Marines und Leiter des taktischen Einsatzzentrums am Luftstützpunkt Bagram, knapp fünfzig Kilometer nördlich von Kabul.
Erleichtert schickte Connor ein kleines Stoßgebet zum Himmel.
Mit neuem Schwung rollte er sich auf dem Schreibtischstuhl zu der Konsole, auf der das rote Telefon stand. Das rote Telefon mit der besonders gesicherten, verschlüsselten Leitung wurde für vertrauliche Gespräche mit Geheimdiensten, militärischen Einrichtungen und Botschaften auf der ganzen Welt verwendet.
»Sergeant Major Robinson am Apparat.«
»Frank Connor von Division. Sind Sie nicht der Robinson, der vor ein paar Jahren Saddam aus seinem Erdloch geholt hat?«
»Sind Sie nicht der Mistkerl, dem ich die Aktion mit Saddam überhaupt erst zu verdanken habe?«
»Hallo, Larry. Was gibt’s Neues?«
»In zwei Jahren werde ich dreißig, dann wechsle ich zu Ihrem Verein.«
»Jederzeit. Vergessen Sie nur nicht, Ihrer Frau zu erzählen, dass Sie in Zukunft Waschmaschinen verkaufen wollen.«
Robinson räusperte sich. Keiner von ihnen konnte es sich leisten, lange um den heißen Brei herumzureden. »Mal ganz unter uns gefragt, wie lautet denn Ihr Erkennungscode?«
Connor rasselte seine zehnstellige, alphanumerische ID herunter. Er kannte das taktische Einsatzzentrum in Bagram von diversen Besuchen. Während er auf die Bestätigung der ID wartete, stellte er sich vor, wie Robinson am Geländer der Kontrollplattform lehnte, von wo aus er die Schreibtischreihen mit den emsig arbeitenden jungen Männern und Frauen und die zahlreichen Monitore an der Wand bestens überblicken konnte. Von seinem Platz aus konnte Robinson zu jedem erdenklichen Zeitpunkt einen Predator-Angriff auf einem der Monitore, ein Verhör auf einem anderen und einen Stoßtrupp im Kampf mit dem Feind auf einem dritten Bildschirm beobachten, während er ganz nebenher seine Unterschrift auf den Dienstplan des nächsten Tages setzte.
»Was kann ich denn an diesem wunderschönen Tag für Division tun?«, erkundigte sich Sergeant Major Robinson.
»Im Grenzgebiet des nordwestlichen Stammesgebiets haben wir ein paar HVIs gesichtet – wichtige Personen, die mit einem feindlichen Kampftrupp unterwegs sind. Wir sind hinter den betreffenden Personen schon lange her. Es handelt sich um wirklich üble Typen. Haben Sie zufällig ein einsatzbereites Team in der Nähe, das sich um die Leute kümmern könnte?«
»Laut und klar verstanden, Frank. Zwei meiner Marine-Sondereinsatzteams befinden sich gerade im Korengal-Tal. Ich setze mich sofort mit dem Kommandeur der Bodentruppen in Verbindung und frage nach, welches von beiden einsatzbereit ist. Einen Moment, bitte.«
Connor wechselte einen Blick mit Erskine und drückte vorsichtshalber beide Daumen. Über den Marschflugkörper verlor er wohlweislich kein Wort. Ein HVI in Begleitung eines feindlichen Kampftrupps war ein gefundenes Fressen für die Spezialeinheiten. Um den Marschflugkörper konnte er sich später noch kümmern, das hatte im Moment keine Eile. Zunächst einmal musste er Balfours Truppe ausschalten, Emma Ransom mit eingeschlossen.
»Ich habe Captain Crockett vom Firebase Persuader Camp in der Leitung. Wenn Sie bitte fortfahren würden, Mr. Connor.«
Frank Connor schilderte ihnen die Lage in einer für seine Zwecke geschönten Fassung: Eine Gruppe feindlicher Kämpfer war zusammen mit mindestens einer Person, die auf der Beobachtungsliste für Terroristen ganz weit oben stand, in der nordwestlichen Bergregion Pakistans gesichtet worden. Anhand von Satellitenaufnahmen lag ihnen der Beweis vor, dass es sich tatsächlich um die fragliche Person handelte. Außerdem konnte er präzise Angaben zu der Stelle
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