Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Seltsam heiße Vorstellungsbilder tanzen ihm vor den trüben Augen. Er denkt an entwurzelte Affenbrotbäume, an Paarungskämpfe mit anderen Bullen, an fröhliche Märsche durch Eingeborenendörfer, bei denen man sich nicht die Mühe zu machen braucht, den Hütten auszuweichen. Die Erinnerungen sind recht vage, aber sie erfüllen ihn dennoch mit einem gewissen Wohlbehagen. Sicher wird es nicht mehr lange dauern, bis er die anwesenden Menschen durch einen herrlich roten Schleier sieht.
    Glücklicherweise ahnte Schneidgut nichts davon, als er den Blick des hohenpriesterlichen Assistenten einfing. Der betreffende Mann war nicht nur tüchtig und zuverlässig, sondern besaß auch eine gehörige Portion Weitblick: Klugerweise hatte er sich sowohl mit hohen Stiefeln als auch einer langen Gummischürze ausgestattet.
    Der Zauberer gab ihm das Zeichen für den Beginn der Zeremonie, eilte in den Ankleideraum der Priester und streifte sich hastig das von der Schloßnäherin gerade noch rechtzeitig für ihn fertiggestellte Gewand über. Es bestand aus einer wirren Ansammlung von Spitzen, Tressen, Litzen, Pailletten und goldenem Zwirn, stellte eine so unverschämte Geschmacklosigkeit dar, daß sich selbst der Erzkanzler der Unsichtbaren Universität geschämt hatte, ein solches Kleidungsstück zu tragen. Einige Sekunden lang bewunderte sich Schneidgut im Spiegel, setzte dann den spitzen Hut auf und stürmte zur Tür zurück. Dicht davor hielt er inne, um den Weg gemächlichen, würdevollen Schrittes fortzusetzen, wie es jemandem von seinem Stand gebührte.
    Er erreichte den Hohepriester, als Keli mit ihrer Wanderung durch den Mittelgang begann, begleitet von einigen Zofen, die sie so geschäftig umringten wie Schleppkähne ein einlaufendes Passagierschiff.
    Das Erbkleid gereichte ihr zwar nicht gerade zum Vorteil, aber Schneidgut hielt sie trotzdem für wunderschön. Irgendein Aspekt ihres Erscheinungsbildes ließ ihn innerlich erzittern und…
    Er biß die Zähne zusammen, konzentrierte sich auf die Sicherheitsmaßnahmen. Er hatte mehrere Wächter im Saal postiert – falls der Herzog von Sto Helit noch im letzten Augenblick versuchen sollte, die Thronfolge in Frage zu stellen –, und beschloß, den Onkel der Prinzessin aufmerksam im Auge zu behalten. Er saß in der ersten Reihe und lächelte sonderbar zufrieden. Als er Schneidguts Blick begegnete, sah der Zauberer voller Unbehagen zur Seite.
    Der Hohepriester hob die Hände, und daraufhin wurde es still. Schneidgut trat etwas näher, als sich der alte Mann mittwärts wandte und mit krächzender Stimme den göttlichen Segen zu erflehen begann.
    Neben dem Greis verharrte er und beobachtete den Herzog.
    »Hört mich, mhm, o Götter…«
    Warum starrte der Intrigant und Verschwörer von Sto Helit zu den Fledermäusen im Dachgebälk hinauf?
    »Hör mich, o Blinder Io der Hundert Augen; hör mich, o Großer Offler mit Deinem Von Vögeln Umschwirrten Rachen; hör mich, o Gnädiges Schicksal; hör mich, o Kühle, mhm, Bestimmung; hör mich, so Siebenhändiger Sek; hör mich, o Hoki Aus Den Wäldern; hör mich, o…«
    Mit dumpfem Entsetzen begriff Schneidgut, daß sich der dumme alte Narr nicht an die Anweisungen hielt und die ganze lange Liste herunterleiern wollte. Auf der Scheibenwelt gab es mehr als neunhundert bekannte Gottheiten, und theologische Forscher entdeckten ständig weitere. Es konnte Stunden dauern, alle ihre Namen zu nennen. Die versammelte Gemeinde wurde bereits unruhig.
    Keli stand vor dem Altar, und in ihren Augen funkelte Zorn. Schneidgut stieß den Hohepriester in die Rippen, ohne einen sichtbaren Effekt zu erzielen. Schließlich sah er den jungen Meßdiener an, hob und senkte mehrmals die Brauen.
    »Er soll damit aufhören!« zischte er. »Wir haben nicht genug Zeit!«
    »Das würde den Unwillen der Götter erregen…«
    »Mein Unwillen ist schon erregt, und ich bin hier.«
    Der Meßdiener musterte Schneidgut einige Sekunden lang und hielt es für angebracht, später eine Erklärung an die Götter zu richten. Er klopfte dem Hohepriester auf die Schulter und raunte ihm etwas ins Ohr.
    »… o Steikhegel, Gott Entlegener, mhm, Kuhställe; hör mich, o… Wie? Was?«
    Geflüster. Geflüster.
    »Das ist, mhm, sehr ungewöhnlich. Nun gut, kommen wir direkt zur, mhm, Deklaration der Abstammungslinie.«
    Geflüster. Geflüster.
    Der Hohepriester bedachte Schneidgut mit einem finsteren Blick. Zumindest sah er in die entsprechende Richtung.
    »Mhm, na schön. Mhm, bereitet

Weitere Kostenlose Bücher