Gevatter Tod
AUCH ZEIT, brummte Mort und schwang das Schwert.
Eine Sekunde später stand die Seele des Wesirs auf und musterte Mort von Kopf bis Fuß.
»Wer bist du, Barbar?« fragte er scharf.
ICH BIN DER TOD.
»Aber nicht mein Tod«, entgegnete der Wesir energisch. »Wo ist der Schwarze Feuerspeiende Himmelsdrache?«
ER WAR VERHINDERT, erklärte Mort. Hinter der Seele des Großwesirs formten sich schattenhafte Gestalten. Einige trugen kaiserliche Prachtgewänder, aber es gab auch noch viele andere mit gewöhnlicher Kleidung. Sie alle schienen versessen darauf zu sein, den Neuankömmling im Jenseits zu begrüßen.
»Ich glaube, du wirst bereits erwartet«, fügte Mort hinzu und eilte fort. Als er den Flur erreichte, begann die Seele des Wesirs zu schreien…
Ysabell stand geduldig neben Binky, der sich gerade einen Imbiß genehmigte und an einem fünfhundert Jahre alten Bonsai knabberte.
»Ein Job erledigt«, seufzte Mort und schwang sich in den Sattel. »Komm! Was den zweiten angeht, habe ich ein ungutes Gefühl, und uns bleibt nur wenig Zeit.«
Albert materialisierte mitten in der Unsichtbaren Universität, am gleichen Ort, von dem aus er die Welt der Sterblichen verlassen hatte. Vor rund zwanzig Jahrhunderten.
Er brummte zufrieden und strich Staub von seinem Umhang.
Kurz darauf merkte er, daß ihn jemand beobachtete. Er hob den Kopf und stellte fest, daß sein eigener, marmorner Blick auf ihm ruhte: Er stand direkt vor dem Denkmal, das man ihm gesetzt hatte.
Er rückte sich die Brille zurecht, starrte mißmutig auf die bronzene Tafel am Sockel der Statue und entzifferte die Schrift:
»Alberto Malich, Gründer Dieser Universität. Anno Mundi 1222–1289. ›Einen solchen Mann sehen wir nie wieder.‹«
Soviel zur Prophetie, dachte Albert. Warum hatten die magischen Professoren und thaumaturgischen Studenten keinen fähigeren Bildhauer engagiert, wenn sie soviel von ihm hielten? Die Nase ähnelte einem Zinken. Und das sollte ein Bein sein? Irgendwelche Leute waren so dreist gewesen, ihre Namen hineinzukratzen. Mit einem solchen Hut wollte Albert nicht einmal zu Grabe getragen werden. Nun, wenn es allein nach ihm ging, kam ein längerer Friedhofurlaub ohnehin nicht in Frage.
Er zielte mit einem oktarinen Blitz auf das abscheuliche Ding und lächelte grimmig, als die Statue krachend zerplatzte.
»Na schön«, wandte er sich an die Scheibenwelt im allgemeinen. »Ich bin zurück.« Das Prickeln der Magie kroch ihm durch den Leib und formte einen warmen Glanz hinter der Stirn. Wie sehr habe ich dieses Gefühl vermißt! fuhr es ihm durch den Sinn.
Einige Zauberer hatten die Explosion gehört, eilten durch die breite Doppeltür, rissen die Augen auf und gelangten zu einem ebenso offensichtlichen wie falschen Schluß.
Dort stand der Sockel. Leer. Dort wallte eine Wolke aus Marmorstaub. Und ein leise murmelnder Albert trat daraus hervor.
Die Zauberer weiter hinten drehten sich sofort um und schlichen auf leisen Sohlen fort. Jeder von ihnen hatte einmal in jugendlichem Übermut ein nützliches Schlafzimmerutensil genommen und es auf den Kopf der Statue gesetzt. Oder Bier über den Sockel gegossen. Oder seinen Namen in gewisse Teile der steinernen Anatomie geritzt. Schlimmer noch. Während der Feierwoche in jedem Semester, wenn Wein und Bier in Strömen flossen und der Weg zum Abort viel zu lang schien, war es zu weitaus beschämenderen Zwischenfällen gekommen. Damals erschien den Studenten ein solches Gebaren überaus lustig, doch jetzt vertraten die ausgebildeten Magier plötzlich eine andere Ansicht.
Nur zwei Gestalten blieben stehen und begegneten dem Zorn des lebendig gewordenen Denkmals. Die eine verharrte, weil sich ihr Mantelsaum an der Tür verheddert hatte, und die andere – war ein Affe, der menschlichen Angelegenheiten mit sorglosem Gleichmut begegnete.
Albert packte den Zauberer, der mit wachsender Verzweiflung versuchte, durch die Wand zu gehen. Der Mann quiekte.
»Schon gut, schon gut, ich geb's ja zu! Ich war betrunken, glaub mir. Ich wollte überhaupt nicht… Ich meine… Es tut mir leid! Oh, es tut mir so schrecklich leid…«
»Was faselst du da?« fragte Albert verwirrt.
»… so leid, wenn ich dir klarmachen könnte, wie leid es mir tut, wäre ich… Würdest du…«
»Hör endlich mit dem Quatsch auf!« Albert sah auf den kleinen Affen hinab, der seinen Blick mit einem freundlichen Lächeln erwiderte. »Wie heißt du, Mann?«
»Ja, Herr, ich höre sofort auf, Herr, unverzüglich,
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