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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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gefaßt und das Liedchen »Die lauen Lüfte sind erwacht« gesungen, ganz leise nur, auch die zweite Strophe, die anfängt: »Die Welt wird schöner mit jedem Tag«. Da hat er meine Hand sehr freundlich genommen und gesagt: »Meine liebe Frau Wäns, das glauben Sie doch selbst nicht.«
    Daraufhin ich: »Wissen Sie, Herr Scheffer, denn nicht, daß die schönen Anblicke aufbewahrt werden? Irgendwo sind sie aufgehoben und vergehen nie. Wäre es anders, gäbe es keinen Trost. Man müßte sofort vor Gram sterben, und das Nichts käme über uns und hätte für immer und ewig gesiegt. Es zählt nur, daß es das Schöne wenigstens einmal, und sei es ein Jahr, sei es eine Minute, Herr Hans, gegeben hat.« Ich habe allen Mut zusammengenommen,um so zu diesem Mann zu sprechen und ihm derart mein Herz auszuschütten.
    Und was meinte er dazu? Lächelnd und leise: »Nun gut. Sie haben damit Ihre Erfahrungen. Aber was ist mit dem Nicht-Schönen? Auch ewig?« Ich habe nichts mehr gesagt, er hätte mir ja doch widersprochen aus dieser Stimmung heraus. Ich genierte mich, überhaupt mit so Privatem in die Stille reingefahren zu sein. Es ist nur so, daß ich es manchmal nicht mehr ertragen kann.
    Dabei hört man doch längst die Lerchen hoch im Himmel. Es ist ein Gesprudel und Jauchzen dort oben, und die Graugänse fliegen zu Paaren aus dem Schilfröhricht auf. Man würde aus Rechthaberei und Verbiesterung lügen, wenn man sich da todunglücklich nennen wollte.
    Herr Hans hat sich gestern einmal vertan! Er sagte zu Sabine »Du« statt »Sie«. Es ist ihm ausgerechnet bei meiner unwirschen Tochter passiert. Wenn das die reizende Iris Steinert gehört hätte! Die, an Sabines Stelle, hätte ihn, jedenfalls damals, sofort auf das »Du« festgenagelt. Und doch wäre der arme Mann der Füchsin entschlüpft! Meine Sabine, die liebe Einfalt, kriegte den Versprecher gar nicht mit, nach außen hin.
    Die Galeristin verlor am schnellsten die Fassung. Etwas betrüblich Scharfes trat an der entzückenden Frau zutage. Der junge Boris ist nicht der Mann, sie zu bändigen. Den schleppt sie doch am Genick mit sich herum. Mir kam es in meinem Eckchen so vor, als würde die glitzernde Person platzen vor Angriffslust und als wollte sie unseren Herrn Hans, egal, wo er steckte, damit zu einer Erwiderung reizen, bei der er ihr direkt in die Augen sehen müßte. Nur ließ er sie einfach vor die Wand rennen, indem er nicht da war.
    Es ist ein großes Glück, jeden Tag, wenn das Wetter es nur gestattet, wandern zu dürfen, geradeaus und hakenschlagend. Manchmal trage ich den Rucksack mit dem vielen Geld auf demRücken. Trage ihn, er ist ja leicht, marschiere vor mich hin und zeige mir meine eigene Sorglosigkeit. Ich höre jetzt auch die Pferde, ganz außer sich, über die Koppeln donnern. Wenn sie sich erst an die Freiheit gewöhnt haben, stehen sie meist nur noch still.
    Erst vor ein paar Tagen hat Sabine mir erzählt, daß damals, nach der Handleserei, als sie hier draußen alte Äpfel an die Tiere verfütterte, plötzlich Finnland neben ihr aufgetaucht sei. Zuerst haben sie ziemlich gereizt miteinander geredet, richtig mürrisch wegen der gegenseitigen Störung durch das zufällige Treffen. Dann half er ihr beim Verteilen der Apfelhälften, damit sich die Pferde nicht gegenseitig so eifersüchtig wegstießen. Als Sabine dabei um ein Haar im Mist ausrutschte, fing er sie von hinten auf und ließ sie so schnell nicht wieder los. »Ihr Gesicht, Sabine, müßte einen Bildhauer reizen«, hat Finnland gesagt. Und was antwortete dieses ruppige, aufrichtige Wesen? »Ich kapiere. Es ist wulstig und gefurcht, nicht fein gezeichnet für den Liebhaber von Strukturen.«
    An dem versteckt gelegenen alten Feuerteich, zu dem Hans ausdrücklich den Zutritt verboten und ihn mit Reisighaufen hat verbarrikadieren lassen, haben sie ausprobiert, ob es wohl wirklich was werden könnte mit ihnen. Es ist aber schiefgegangen. Sabine meint, gerade wegen Ilonas Spruch! Im entscheidenden Moment mußten sie husten, weil ihnen beiden, der Störrischen und dem Steifen, Hehes vorwitzige Slawin einfiel. Ob das wirklich der Grund ist?
    Seitdem gehen sie hier aber öfter an den Wochenenden zusammen herum. Er hat ihr von den großen Bauvorhaben seiner Firma erzählt und wie die Kunden bei der Abnahme des fertigen Baus versuchen, die Preise zu drücken. Dabei forschen sie mit der Lupe überall nach Unkorrektheiten. Natürlich bemühe seine Firma sich dann, die Reklamationen an die Subunternehmen

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