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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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es in der Jugend für ewig hält, das schon, das schwindet hin. Aber nicht das Flüstern der Bäume, das Zittern, das auf mich überspringt. Ich schwitze vor Freude, selbst in den Ohrmuscheln schwitze ich.
    Wer weiß, daß ein Moment der Todesnähe, wo einem jedes Ding den Rücken zukehrt, wenn er vorüber ist, Macht verleiht über die, die sich noch unsterblich vorkommen in ihrer kleingemusterten Welt?
    Still, Frau Wäns, sage ich mir, kein Wort darüber, nichts verraten, verrate dich nicht! Die lieben Leute damals, Herr Zock, Finnland, Doktor Herzer, der arme Hehe und ihre Frauen, der mausjungeBäder obendrein, diese liebenswürdigen Herrschaften im großen und ganzen: liebenswert, ja, als sie meinen Herrn Hans noch liebten, die Männer wie die Frauen, und ihre Gesichter mir sagten, wie entzückt sie waren, ihn wieder zu besitzen mit seinem Herzschlag und Lächeln und Gebrumm, den großen, zwölfjährigen Mann! Welche Begütigung von ihm auf uns überging! Obschon ich leider einen Tag nach dem Ankunftsabend erfuhr, daß Ilona sehr zornig das von Hehe gekaufte blutige Gemälde an Iris Steinert zurückgegeben hat, weil sie beide es gerade jetzt nicht gebrauchen könnten, ausgerechnet so etwas, das fehle ihnen noch.
    Mir ist daraufhin ein Blick aus einer schon länger zurückliegenden Zeit eingefallen. Zuerst hatte ich ihn nicht verstanden. Es war, als Ilona so erschrocken von der Explosion in ihrem Wohnhaus und der Zerstörung ihrer Zimmer berichtete. Da sagte Jeanette Herzer, jetzt höre ich es wieder: »Hahahaha, sicher steckt mein Großvater, der Sprengmeister, hinter der Sache!« Das sollte ein Witz sein, die Berufe kamen dann ja noch später zur Sprache, aber ihre Augen sahen böse aus dem lachenden Gesicht heraus. Und warum? Schon möglich, daß Ilona uns getäuscht hat mit ihrem Bericht von dem weinenden Herrn Herzer, als er aus seiner Praxis, am Tag nach dem Eklat um das achteckige Gartenhäuschen, mit seiner Frau telefonierte. Vielleicht wurde er postwendend von Ilona getröstet? Ich habe beobachtet, ohne es verstehen zu wollen, wie er seine junge slawische, jetzt schwangere Praxishilfe von irgendeinem Zeitpunkt an mit ganz anderen Augen betrachtet hat als die schwierige Ehefrau. Hatte der treue Metzger Hehe alles ziemlich auf einmal, seine Gesundheit, seine Freundin und seinen ohne Begründung abgereisten Freund verloren? Kann alles sein, kann auch nicht sein.
    Ach nein, das waren nur dumme Kleinigkeiten angesichts der Freude, der schönen Aufregung, die seit der Ankunft von Hans neu in uns gefahren war, trotz der beträchtlichen Sorgen, diewohl besonders an den Männer nagten, vorübergehende wirtschaftliche Kümmernisse eventuell, mit denen sich jeder gestandene Erwachsene sehen lassen konnte. Weg damit, sie zählten nicht, wir vergaßen sie einfach, waren nämlich wieder jung, waren noch einmal die reinsten Kinder geworden, die nach dem Willen unseres Herrn Hans gespannt der Ankunft Anadas entgegensahen.
    Vielleicht interessierte uns die Indianerin gar nicht so sehr, eher schon, wie sich Herr Hans in ihrer Gegenwart verhalten würde. Am Telefon beschwätzte man, wie ungeduldig er auf das Mädchen wartete, um sie uns vorzuzeigen, daß er ganz besessen betonte, sie sei seine Verwandte, das eigene Blut, und daß er sich ein schönes Leinenjackett gekauft hatte. Dabei mußte er sich nach der langen Abwesenheit um sein Naturschutzgebiet kümmern, ich meine, er hätte es tun müssen. »Die Studenten von drüben, die werde ich zum Entkusseln anstellen«, erklärte er uns, »die reißen, wie gesagt, die Birkenschößlinge raus. Bald, bald. Höchste Zeit.«
    Er erzählte es, als er kurz nach dem Ankunftsabend überraschend vorbeikam im Tristanweg. Sabine und ich aßen gerade Bratkartoffeln und frischen Salat. Auf einmal sah er durchs offene Fenster auf unseren Tisch. Es machte Sabine so nervös, daß ihr später wie bei einer Betrunkenen das Tablett mit den Gläsern zitterte und ein verräterisches Klingeln entstand, über das sich Hans in seiner Gedankenverlorenheit gar nicht wunderte. Mitten in der Küche stand sie danach, ich kriegte es versehentlich mit, reckte sich wie gerade aufgewacht und lachte stumm, weil sie sich ja den Mund zuhielt. Sie biß sich in die Faust wie eine Kugelstoßerin nach dem Sieg. Herr Hans hatte gefragt, ob Anada bei uns wohnen könne. Es sei ihm lieb, »sie zunächst, für ein Weilchen, in unserer freundlichen Obhut zu wissen.«
    Ich glaube, er und Sabine unterhielten sich dann kurz

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