Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
Vom Netzwerk:
von Herrn Hans.
    Auch diesmal werde ich ihn nicht treffen. Er schläft noch in den Armen meiner herben Sabine. Ein Segen! Aber für wen? Wohnen, das haben sie gestern beim Sekt oder von mir aus Champagner erzählt, soll Hans eigentlich nicht bei uns, nur hin und wieder. Er wird vorbeischneien im Tristanweg und seine alte Wohnung behalten. Sehr vernünftig. Ist er nun wirklich noch mein früherer, schöner und dann auch armer Herr Hans geblieben? Die lästige Gesichtsnässe hört nicht auf, schuld ist der Wind.
    »Verheiratet!« hat er später am Abend immer wieder gerufen, den Kopf geschüttelt und sich mit der Hand aufs Knie geschlagen, »Verheiratet!« Er kann offenbar selbst nicht glauben, daß eretwas so Schwieriges geschafft hat, und zwinkert mich an: »Ehemann! Das ist ein Streich, was?« »Ich bin völlig sprachlos«, habe ich, wenn ich mich richtig erinnere, geantwortet. Meine wider Erwarten listige Kleine ist in den letzten Wochen von Tag zu Tag hübscher geworden, aufgeplustert wie ein Küken. Ich hab’s bemerkt, nichts dazu gesagt, habe mir was gedacht und in meiner Freude darüber geschwiegen. Aber daß es sich dermaßen schroff entwickeln mußte! Während hier draußen, wie Holterhoff sagt, alles verwahrlost, ruht mein Schwiegersohn sein großes, liebes Haupt am lange verwaisten Busen seiner noch vor einiger Zeit so freudlosen »Tigerin« aus. So ein Einfall, ich meine: Glücksfall für den Tristanweg! Es müßte, wenn sie alle noch dawären, eine große Festivität geben. Die Galeristin würde in ihrem Zorn wie ein Unwetter in den Bergen in alle Richtungen funkeln, mit höllischen Echolauten, wegen der Unverzeihlichkeit dieser abrupten Verehelichung.
    Und jetzt Schluß! Aus Leibeskräften habe ich ja die Gute gespielt, wollte das welke Mütterchen im Winkel sein und mich bescheiden mit den Zutaten von Weisheit und freundlicher Einfalt. Immer schwerer ist es mir geworden, die sich überschlagenden Hintergedanken wegzusperren. Herr Hans als einziger hat’s schon immer geahnt, aber mitgespielt, mir nur manchmal ein Zeichen gemacht, ganz kurz, ich war dann gewarnt. Er traute dem scheuen Weibchen in der Fernsehecke nur halb. Zocks, Herzers, Finnland und so weiter, sie alle, als sie noch kamen, ihr Herz dem unwiderstehlichen Herrn Hans zu Füßen legten, der wohlauf war, obenauf wie sein Reich, die haben mich für alt und blöde gehalten. Alt ist richtig, bloß nicht so sehr, wie sie denken wollten. Alt und boshaft bin ich, obschon fest entschlossen zu entzückender Sanftmut und reizender Güte, bis ich platze.
    Weinte nicht die schließlich kaltschnäuzige Tonia, dieses am Schluß so lüsterne Söldnerliebchen, als Mirko ihr früher einmal erzählte, die Kühe würden nächtelang brüllen, wenn man ihnendas Kälbchen zum Schlachten wegnimmt? Was mir heute so in den Sinn kommt! Vermutlich hat sie später mit ihrem Freischärler darüber gelacht.
    Vollfrühling, aber heute sehe ich ihn nicht richtig. Ich habe ja nicht mal Gefühle im Augenblick, oder sie sind mir unbekannt. Als Kind wünschte ich vor allem, nicht gestört zu werden. So ist es letzten Endes auch jetzt noch. Würde mir nur nicht die rabenschwarze Todesangst dazwischenfunken, und immer schlagartig, wie sie will. Und was ist das nun für ein Gedanke: Mit zwölf kam Mirko als glänzender Sieger vom Sportfest. Königlich auf der Urkunde die geschwungenen Goldbuchstaben! Am Abend meinte er traurig, nächste Woche schon sei alles vergessen. »Du und ich, wir vergessen es nie. Zwei genügen. Darauf, nur darauf kommt es an!« habe ich wie aus der Pistole geschossen geantwortet, »Wir beide sind zwei Getreue.«
    Richtig, wohin man sieht, herrscht Hochfrühling. Sabine, in den vergangenen Tagen natürlich gereizter als sonst, die Redliche, hat mir zwischendurch einen Vorwurf gemacht, hat aus einer Laune heraus eine Anklage gegen mich erhoben, weil ich früher oft unerreichbar sehnsüchtig in die Ferne gestarrt hätte, so daß sie geglaubt habe, sie, Sabine, hindere mich an der Erfüllung meiner Existenz. Diese, nur für mich gesagt, sehr populären tranigen Beschwerden von Töchtern, auch die müssen zu allem Übel ertragen sein. Aber, wieder nur für mich gesagt, habe ich mich tatsächlich so oft nach irgendwas gesehnt? Vor oder zurück? Es ist schwerer Unfug, sich nach irgendwas zurückzusehnen, ja, ist Quatsch. Die Dinge preschen einem entgegen, prasseln einem kurz ins Gesicht und stürmen vorbei. Wenn man sich umdreht nach ihnen, sehen sie schon

Weitere Kostenlose Bücher