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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Schrund zu verheimlichen, weit drüber hin. Abervollständig gelingt’s ihnen nicht. Ich bin gewarnt, etwas quillt, noch unsichtbar, aus dem Riß hervor. Das Schattenreich? »Schwaden, die schaden«: Fängt so ein Liedchen an, zu einer Walzermelodie? Will mir was ans Fell?
    »Schwaden, die schaden, Schwaden, die schaden, weich wie die Liebe und kalt wie der Tod.« Ich erinnere mich, die Großmutter hat es oft gesungen vor großem Publikum, hieß es, in ihrem legendären Seeköniginnenkleid. Oder war sie, solange sie es trug, des Wassers Erzherzogin? Sie schwimmt heran, sie entschwindet.
    Ein junger Riese stapft vorbei, gerade jetzt rülpst er unflätig aus groben Eingeweiden heraus. Und was ist das? Ein Riß läuft über die zitternde Gesäßbacke und teilt sie in zwei Hälften. Bleiches quillt sehr sichtbar hervor. Aber da, er steht still, sieht mich nicht, er wischt sich mit den Handrücken rechts und links ja Tränen ab! Er weint, weint beim einsamen Wandern im Wald. Gibt oder gab es nicht drei Sachen, die mich gefesselt haben, drei Vorkommnisse, die zusammengehören, doch ich weiß nicht warum? Jäger, Mädchen, was noch? Was war’s, schon vergessen, denn noch? Ist das hier der schwachsinnige Sohn des Sumpfgrafen? Aber heißt es nicht auch, der Oberbürgermeister hätte einen verheimlichten, geistig beschränkten Sohn? Was hat sein Vater ihm angetan? Irre ich längst, ohne Hinweis darauf, in einem anderen Bundesland umher und herum?
    Dahinten, das wird der körnige Moorkönig sein, der sich nähert aus dem Gebüsch heraus, vielleicht der lederhäutige Waldhäuptling, über und über grün? Moorkönigsteg, Waldhäuptlingsviertel. Und wenn er meinen Namen verlangt? »Ich bin eine, die hier herumgeht«, antworte ich ihm dann. Keinesfalls den Namen verraten! Wer weiß, wie er mir gesonnen ist. Einer der grausamen Hartmann-Brüder vielleicht? Nin-Tschang? Nizami-Pascha? Schon spricht er mich an, so schmeichlerisch: »Sieh an, eine Erscheinung, eine Diva in knisterndes Gold gehüllt, schimmerndvon Kopf bis Fuß, mitten im Wald, umringt von lauter Holz, dem ältesten und wichtigsten Rohstoff der Menschheit. Nicht erschrecken Frau Wäns! Wer wird denn, wer wird denn! Ein bißchen eingenickt? Ich bin’s, Ihr, ich darf wohl sagen, Freund.«
    Ach, wieder und nur der ewige Holterhoff! Über den stolpert man wie über Baumwurzeln. Obwohl, obwohl, ich müßte ihm schon wieder dankbar sein. Er wird mir den Weg aus dem Dickicht zeigen. Verdächtig, wie dieser Retter immer zur Stelle ist.
    »Keine Diva, mein lieber Herr Holterhoff«, sage ich. Er soll mir meine Erleichterung nicht anmerken, wer weiß, ob er es nicht ausplaudern würde. Ich vermute nämlich eine gewisse Auftraggeberin und bin nicht dermaßen auf den Kopf gefallen, wie man augenscheinlich denkt. »Mein Umhang ist nichts Besonderes, Sie kennen das doch als Autofahrer, Überlebensfolie, federleicht. Man faltet sie auseinander und macht es sich warm oder kühl, wie man’s gerade braucht.«
    »Nichts da, Frau Wäns! Eine Goldprinzessin sind Sie, und dann hier in der Gottverlassenheit!«
    Hält er mich für kindisch? Ist es Überschwang? »Eine Schutzhaut für Verunglückte, für Leute in Not. Ich aber habe sie Sabine gestohlen, um es mir hier draußen, wenn ich müde bin, mollig und bequem zu machen.«
    »So spät noch? Ihre Tochter wird sich sorgen um Sie.«
    Holterhoff ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Heuchler. »Achten Sie, Gott vergelt’s, lieber Herr Holterhoff, auf meine alte Mutter! Die rennt nach wie vor bei jedem Wetter allein ins Gehölz«, so ähnlich wird mich Sabine Holterhoff ans Messer geliefert haben, das gute Kind, in ihrer andauernden Bangigkeit, irgendwas könnte passieren und einbrechen in ihr Leben.
    Er schwätzt mir, bis wir zu Hause sind, eine Menge über den Ruin ringsum und über die Kiebitze vor. Nicht zu verhindern: »Solchen Wald, liebe Frau Wäns, gibt es unter dem neuen Klimabald nicht mehr. Die Fichten vertragen es nicht, die am allerwenigsten.« Und doch stelle ich fest, beim Nicken und Loben und Dankbarsein (»Was täte ich ohne Sie, treuer Herr Holterhoff« und: »Sie sind mein Retter, besser als jede Rettungsfolie, lieber Herr Nachbar«), wie sehr er sich verändert hat. Er ist auch nicht mehr durchgehend grün gekleidet, überrascht statt dessen durch Kariertes und Pfeffer-und-Salz-Muster.
    »Sehen Sie nur, Sie Unentbehrlicher – nebenbei: auch Sabine, Sie wissen, meine Tochter Sabine, ist der Meinung, daß Sie ein

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