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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Unentbehrlicher sind –, sehen Sie nur die feurigen Kupfersäulen mitten in der Heide«, rufe ich wie verblüfft in seine Predigt hinein, »die Stämme der Kiefern, die Herr Scheffer stehengelassen hat, so branstig rot hier draußen, im Freien, im letzten Abendlicht!«
    Sie sind so flammend, daß man nur dagegen ansingen kann, unantastbare Blöcke für diesen Moment im reißenden Strom der Vergänglichkeit. Andere sagen statt »Waldrebe« und »Rainfarn« was Imposanteres: »Bismarck«, »Napoleon«. Und? Zählen die etwa mehr? »Sehen Sie bloß das Brennen, auch wenn es nur wenige sind, die Herr Scheffer uns hier, in seinen Urgefilden, der Schönheit zuliebe gönnen kann.«
    Holterhoff ging doch früher immer in Tarnung, grüner als Gras und Wald und Waldkönig zusammen. Was ist ihm zugestoßen?
    »Man muß gegenüber Neuem offenbleiben, bei aller Konstanz. Geheimnis geglückten Lebens, liebste Frau Wäns.«
    »Geglückten Lebens«! Ob der Gute neuerdings bei den Zeugen Jehovas wirkt?
    Mir kommt noch eine andere Idee, als er mir nun seine schicke Jacke vorführt. Mitten auf dem Feldweg 88 bleibt er stehen, fragt hartnäckig nach, ob sie mir ernstlich gefällt, und dreht und wendet sich wie ein vom Sumpffieber befallener Sumpfgraf. Nun weht es in den Bäumen und durch mich hindurch und durch Holterhoff und die Büsche, nichts steht mehr steif für sich da.Plötzlich reißt er sich die Jacke vom Leib, wirft sie hoch in die Luft, wo sie beide Arme ausbreitet, und fängt sie auf. »Der Zusammenhang«, schreit er, »Frau Wäns, alles ist miteinander verbunden durch den geheimen Zusammenhang!« Er strahlt, er ist kaum wiederzuerkennen. Ich werfe mein Strohhütchen einfach Richtung Himmel hinterher. Er fängt es auf mit links und lacht. Holterhoff? Wie könnte ich einen bestimmten Verdacht unterdrücken. Etwas höchst Vertrauliches will er mir mitteilen, das ist klar, bloß riskiert er es noch nicht. Unverhofftes am Ende des verdammt langen Tages.
    Zu lang, zu lang der Tag. Die Zeichen mehren sich nämlich mit jedem Schritt, den wir, durch das Naturschutzgebiet hindurch, Richtung Tristanweg machen, ich dabei hübsch hilflos an seinem starken Arm. Kein Zweifel, auch wenn er gottlob noch nicht wagt, zum Kern der abstrusen Sache zu kommen, denn selbst meine ehemals so blanke Halskuhle ist ein Töpfchen voller Falten geworden. Aber ob du, mein armseliges Strohhütchen – wenn ich bedenke, mit welchen Kopfbedeckungen die stolze Anna Hornberg in die tägliche Schlacht um Männerblicke gezogen ist! –, ob du das nun glaubst oder nicht:
    Der Kerl wirbt um mich!
10. Wanderung
    Was soll ich aber mit dem braven Holterhoff? Ich, Luise Wäns?
    Ich wünsche mir in meiner Not, nachdem ich eben kaum gefrühstückt habe, Amerikaner, Schillerlocken, Schweinsöhrchen, Holländer Schnittchen. Die haben mir als Kind geschmeckt, jetzt würden sie es bestimmt wieder tun, würden mir zum Trost schmecken, obschon ich nicht getröstet werden muß. Wieso denn auch? Sabine und Herr Hans sind gestern abend mit ihrer Überraschung herausgerückt.
    Sie haben in aller Stille geheiratet. Meine Sabine, mein Herr Hans, gestern morgen auf dem Standesamt.
    »Freut es dich so sehr, daß du zu zittern anfängst?« fragte meine Tochter. »Ja, Kinder, so sehr!« habe ich geantwortet und will auch fest daran glauben, mit aller Kraft. »Kinder« habe ich gesagt, um sie zu täuschen und um mir selbst wehzutun. Nur möchte ich eine Weile allein sein, um die neuen Tatsachen zu bedenken. Sabine lauerte mir gestern, als ich vom Verirren und der Sache mit Holterhoff zurückkam, gleich an der Haustür auf. »Hans gehört ab sofort zu unserer Familie«, so der Wortlaut ihres Überfalls. Mein Herr Hans sagte nichts, keine Silbe, biß sich bloß auf die Lippen und blinzelte mich an. Ich hoffe zu Gott, daß er mich nicht, niemals wie ein schrömmeliges Weiblein mit »Mutter« anredet, ich will es nicht. Die Musik, die Hans am ersten Abend mitgebracht hat, die war so, als würden einem alle Tränen abgewischt und flössen gerade deshalb vor Glück um so mehr. Solche sind es jetzt wohl nicht. Ein kalter Tag, zu kühl für den mittleren Frühling. Für mich hier draußen wird es trotzdem wieder ein langer werden. »Wie vom Blitz getroffen«, sagt man. Ich habe mir heute in der Frühe, nach der Nacht, an die ich gar nicht zurückdenken will, nur schnell allein was zu essen gemacht und ein Stück Brot eingesteckt. Dann raus aus dem Haus mit mir, ins Schutzgebiet, ins alte Reich

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