Gewäsch und Gewimmel - Roman
erst so etwas denken, Mütterchen Wäns: jawohl, demütig fordernden Offerte!
Schrecklich oft ist ja gar nicht die Gelegenheit dazu.
Wir besitzen einen neuen Kühlschrank, einen neuen Elektroherd, die Küchenbank ist frisch bezogen. Das alte Geschirr wurde gegen neues ausgewechselt. Wir haben jetzt Stil. Ich bin, als ich solche Dinge wieder wahrnehmen konnte, damit überrascht worden: »Für dich, Mutter!« Natürlich alles für Hans, natürlich,natürlich. Sie kocht auch sorgfältiger, sozusagen einfallsreich, wenn er da ist, wenn nicht, schmeißt sie die Zutaten einfach durcheinander vor Nervosität. »Für uns allein, Mutter, lohnt sich das nicht!«
Und warte ich in Wahrheit nicht genauso auf ihn?
Und verstehe ich meine Kleine, die endlich wieder zu leben anfängt, in ihren schweren Düften und mit den auswendig gelernten Pflanzennamen im Kopf nicht dermaßen gut, daß ich mich deswegen strenggenommen schämen müßte? Wenn wir ohne ihn am Tisch sitzen, fragen wir uns, sprechen es aber nicht aus, wie wir es so lange, all die Jahre zwischen Mirko und Hans, ohne seine Gegenwart ausgehalten haben. Was für eine verlorene, dürre Zeit ohne dieses fortwährende leichte, wohlriechende Vibrieren der Luft, sobald unser Herr Hans das Haus betritt. Sabine läßt sein Bett ungemacht liegen, wenn er geht, um seinen Körperabdruck aufzubewahren. Erst dann, wenn er wiederkommt, rennt sie hoch und läuft mit rosigem Gesicht wieder herunter, schnell, schnell, damit er es nicht merkt.
Es gibt noch eine Veränderung, vielleicht auch nicht, vielleicht wäre es besser, es bliebe in dieser Hinsicht alles unverändert. Wenn wir beiden Frauen für uns sind, spricht sie immer öfter davon, daß sie mit dem Beruf aufhören und nicht weiter »ihre Seele verkaufen« wolle. Hier draußen sei es das Richtige für sie und die Innenstadt eine Last, die niemanden schöner mache. Sie schade geradezu der Liebe. Erst recht das Bankgeschäft. Sie könne dann von zuhause aus Beratung machen. Warum immer weggehen aus dieser schönen Gegend? Manchmal sei Hans hier und sie nicht da oder müsse gerade los. Es sei ihr immer verhaßter. Ich sage dann nichts, etwas beunruhigt mich.
Es beunruhigt mich mehr als das, was sich hier vor zwei Tagen abends abgespielt hat, obschon ein kleiner Schrecken noch immer heimtückisch in mir sitzt. Ich will nicht mehr daran denken, es nicht erst wahrhaben, mir nicht diesen kleinen unheimlichenMoment vor Augen führen, der aber doch leider ohne Zweifel Wirklichkeit gewesen ist.
Wovon redeten wir gerade zu dritt? War es das Wort »Koalitionsabsprache«? Hans fing plötzlich an, heftig zu gestikulieren und sehr laut zu werden. Während ich mich noch bemühte, die zerbrechlichen Dinge aus seiner Reichweite unauffällig zu entfernen, man reizt ihn leicht durch solche Manöver, fegte er schon mit seiner Rechten die wunderbar geschliffene Wasserkaraffe, eine Antiquität noch von Sabines Urgroßmutter Anna Hornburg, Mirkos Ur-Urgroßmutter, meiner schönen Großmutter, außer den Kleidern eine der letzten Erinnerungen an die Sängerin, vom Tisch. Sabine hatte ja darauf bestanden und mich leicht überzeugt, daß wir sie wegen der Festlichkeit in seiner Gegenwart benutzten. Nun lag das fast hundert Jahre gehütete Gefäß, wie man so sagt, in tausend Stücke zersprungen am Boden. Zwei, drei Sekunden herrschten Entgeisterung und Stille, dann begann Sabine zu wiehern, selbstverständlich bloß, um ihren Mann zu beschwichtigen: »Endlich sind wir den Plunder los!«
Möglicherweise stiegen mir da ja nur wegen des Schrecks die Tränen in die Augen? Jedenfalls stand Hans auf, sah bekümmert mein Gesicht an und versuchte, gekränkt durch sich selbst und zum Zeichen der Reue, die Scherben aufzulesen. Der Anblick war so rührend, daß ich ihm zu gern über die Locken gefahren wäre. Das durfte ich natürlich nie und nimmer. Zu retten war nichts mehr. Er brachte die größten Glasstücke zum Abfalleimer, entschuldigte sich, nichts steht ihm besser als Zerknirschung, murmelte bloß, er wolle nicht stören, wolle nur noch eine kleine Runde machen. Weg war er, löste sich abrupt in Luft auf, flüchtete so rasch, daß niemand einschreiten konnte.
Da ist es dann passiert. Ich hoffe, so fest ich nur kann, Sabine ist selbst gestolpert und der Stoß gegen mich war ohne Absicht, aber ich spüre doch andererseits noch immer ihre kräftigen Fäuste in meinem Rücken. Ich hatte Glück im Unglück, auch wennich mit einer Handfläche auf die
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