Gewäsch und Gewimmel - Roman
kriegt man Depressionen, Frostbeulen und erfriert am Ende.«
Mutter und Tochter sitzen, um zusammen und gleichzeitig das Foto aus dem besten Blickwinkel zu sehen, vor dem Bildschirm eng vereint am Küchentisch. Sabine, stellt Frau Wäns plötzlich fest, hat einen kleinen Ausschlag im Mundwinkel.
Stifters Rätselfrage
»Oft, wenn ich die unzähligen Bücher betrachtete, welche sich in öffentlichen Sammlungen befinden, oder wenn ich die Verzeichnisse neugemachter Bücher ansah, dachte ich, wie man denn noch ein Buch machen kann, wenn schon so viele vorhanden sind.«
Lösung? Unbekannt.
Aus der Fremde II
Sie ist ein bißchen älter als er und nicht gerade hübsch, aber es stört Alex nicht. Er ist glücklich. Endlich hat sich eine weibliche Person seiner angenommen. Nun rackert er nach Herzenslust für zwei in der Gastwirtschaft von Schwester und Schwager. Die Frau ist aus der Türkei gekommen, putzt und poliert wie der Teufel. Auch ihn, Alex. Er glänzt, er blinkt.
Schrecken in der Morgenstunde
Elsa greift sich instinktiv und ganz klassisch, wie es vermutlich schon die Menschen im Altertum taten, vielleicht schon der Troglodyt, mit einem kleinen Aufschrei an die Kehle, als sie beim Frühstück aus der Zeitung vom Selbstmord zweier ihr bekannter Menschen erfährt. Der eine ist ein Mann Anfang fünfzig, verheiratet, zwei erwachsene Kinder, der andere eine Frau, ledig, in den Zwanzigern. Die beiden sollen gemeinsam, ohne Rücksicht auf eventuell vorübergehende Passanten, aus dem dritten Stock eines Wohnhauses gesprungen sein, aber keinen Abschiedsbrief hinterlassen haben.
Von solchen Vorfällen und Unglücken liest man alle Tage, hier jedoch handelt es sich um einen gewissen Erwin M. und eine gewisse Katja S. Wie ist das möglich, sagt Elsa insgesamt dreimal in die stille Küche. Der in sich gekehrte Erwin, die aufgekratzte Katja, die nach Berlin gezogen ist! Sie versucht sich, an die beiden deutlich zu erinnern. Was hatten die zwei miteinander zu tun? Erwin und Katja, diese Katja und dieser Erwin! Dann liest sie den Text ein weiteres Mal. Und nun atmet Elsa tief auf. Die Namen lauten in Wirklichkeit Emil M. und Karin S.!
Gott sei Dank: Emil und Karin nur. Die sind ihr völlig unbekannt.
Was steht da noch? Die beiden haben niemanden zu Schaden gebracht durch ihren Doppelsturz und wie durch ein Wunder und zum Glück den zweifachen Suizidversuch überlebt, wenn auch leider nur schwer verletzt und wohl für immer als Krüppel.
Drei Minuten später aber hört Elsa am Telefon, daß andererseits gleich zwei ihrer Patienten durch Vermittlung im Internet zwei sympathische Frauen und damit neuen Lebensmut gewonnen haben. Sind zusammen vier Glückliche.
Verhält es sich nicht überhaupt wie bei den Brüdern Grimm? Am Tag davor hatte man im Haus die Heizungen repariert. Noch in der Nacht hörte Elsa einen ungewohnten Radau, ein Rumorenund Flüstern in den Wänden. Dreimal durchfuhr sie ein starker Herzschmerz, dazu gab es ein gequältes Seufzen im Treppenhaus, alle drei Male. So ein Zufall! So eine Verzauberung!
Und dann obendrein dieser Morgen.
In der folgenden Nacht ruft sie, aus dem Schlaf hochschießend: »Hilfe, Hilfe! Das Geprassel, das Gewimmel!«
Freund: »Was ist los, Elsa, was meinst du denn?«
Elsa: »Ich weiß nicht. Die Leute, glaube ich.«
Der wunderliche Spielmann
Ilona, mit ihrer Kleinen im Wagen, hat es Sabine bei einem Treffen in der Bank erzählt. Nein, sie leide keine Not. Hehe habe gut für sie beide gesorgt, und ihr Chef, Dr. Herzer, beschütze sie und ihr Kind dort, wo ihr Bruder dazu nicht in der Lage sei.
Aber nun etwas anderes. Sie wisse gar nicht, was sie davon halten solle. Vor genau einer Woche habe sie das Grab von Hehe besuchen wollen, aber schon von weitem ein merkwürdiges Geräusch gehört, das sich beim Näherkommen als ein wildes Geigenspiel herausstellte. Das Kleine habe daraufhin zu wimmern angefangen. Vor der Gruft ihres Mannes stand ein Mann, der in großer Geschwindigkeit und einer den Körper verrenkenden Leidenschaft, ja geradezu Wut auf seinem Instrument ein ihr unbekanntes Stück spielte. Das sei eigentlich kein Wunder bei ihrer mangelnden Bildung. Es lasse sich aber kaum denken, daß es überhaupt irgendjemanden auf der Welt gebe, der den Wahnsinn hätte identifizieren können. Nach dem Spiel ergriff der Mann eine Kindergießkanne, die er offenbar vorsorglich bei sich trug, und begoß die vor einer Woche von ihr auf den Grabhügel gepflanzten Blumen, schöne
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