Gewäsch und Gewimmel - Roman
Knollenbegonien. Sie habe sich daraufhin unauffällig mit dem leise weinenden Kind zurückgezogen.
Der Mann aber sei unzweifelhaft Hans Scheffer gewesen.
Rätselspaß zum Abendessen
Wieder an den ehelichen Abendbrottisch zurückgekehrt, fängt Hans Scheffer an zu lachen. Er verschluckt sich beinahe. Ihm ist etwas eingefallen. WWF stelle in seinem Magazin eine Frage. Wer das Lösungswort wisse, könne eine Reise gewinnen. Aufgemerkt also! Welches von diesen vier Tieren lebt in der Ammerschlucht: Der Blutkelchgralshüter? Der Salzseewegspringer? Der Felsquellschlammwälzer? Der Kiesbankgrashüpfer? Oh und Ah! Werde man angesichts der Namen nicht ganz einsilbig vor Staunen? Die richtige Antwort sei aber nur die Basis für das Trefferergebnis. Das ökologische Raten gehe im nächsten Heft weiter. Er sei gespannt, ob nun auch die Tiere mit sechs Silben ihre Chance hätten oder ausgerechnet sie – Absicht? Zufall? – zu den nicht gefährdeten gehörten.
Auch die beiden Frauen lachen jetzt. Aber die eine verdächtigt die andere, daß sie es nur um des sehr lieben Friedens willen tut.
Liebe Herta,
halte mich ja nicht für hysterisch. In unserer Familie kamen bis auf die beruflichen Unfälle keine ungewöhnlichen Schicksalsschläge, keine großen Handlungen vor, die den Menschen angeblich dann so große Würde und Gravität verleihen. Nein, das eben nicht! Dafür aber katastrophale Sätze, Bemerkungen, die Eltern und Kinder für immer entzweiten und zu Enterbungen führten, zwei, drei Wörter manchmal nur, die dann in alle Richtungen abgewogen wurden, es ging ins Spekulative, nicht selten in Grimm und mit Tränen. Wir nehmen diese Dinge sehr schwer.
Das galt und gilt auch für das Gegenteil, Herta, für langes briefliches oder telefonisches Schweigen, Herta!!!
Ruth
Herta
Was mich schon immer und am meisten an Ruth gestört hat, das ist der verkniffene Triumph, wenn sie wie eine Dorfpomeranze ein neues Kleid vorführt, stumm, als wär’s die größte Selbstverständlichkeit. Aber, mein Gott, ein Gesicht dazu, als hätte sie mit dem Fetzen der ganzen Welt eins ausgewischt! Dann dieses. »Man war damals achtzehn! Die Lippen leuchtend rot wie die Fingernägel. Man bestand aus nichts als diesen beiden Sachen, wenn man durch die Stadt lief, und besiegte damit die ganze Welt!« Oder war ich das selbst?
Wie tröstlich dagegen, sich abends im Bett auszumalen, daß über dieses ganze Land Deutschland, nicht anders als bei mir in Leipzig, die wilden und die heimischen Tiere verteilt sind, eingekesselt, aber beschützt in ihren Gehegen stehen und schlafen und wachen und gerettet sind in ihrer großen Schönheit! Wie die Figuren auf den alten Glanzbildchen, früher, noch vor den roten Fingernägeln, so sehe ich sie an in meiner Erinnerung und morgen ja leibhaftig schon wieder neu, zu meinem Glück.
Die Tigerin I
Vielleicht gehört der Abdruck der beiden Fäuste in meinem Rücken gar nicht zur Wirklichkeit?
Ich könnte, falls ich wirklich wollte, schon aus eigener Kraft herumwandern, sogar draußen, und zwar viel besser, als sie alle glauben. Das behalte ich aber für mich. Statt dessen sitze ich in meinem Fernsehwinkel wie damals. Damals habe ich sie alle beobachtet. Ließ es sich denn, den Umständen nach, für mich günstiger antreffen? Jetzt verfolge ich das junge Glück aus meiner alten, sicheren Mütterchenecke und von der Küchenbank aus. Anderes bleibt mir nicht übrig. Auch wäre ich wohl zufrieden damit, wenn es tatsächlich das Glück, das hochberühmte Glück wäre, das ich ansehen darf. Oder sieht Glück so aus bei diesenmir teuersten Menschen, die, jeder auf seine Art, mein Herz anfressen?
Wie sehr meine kleine, nun doch schon fünfzigjährige Sabine unsern Herr Scheffer liebt! Mein Gott, wie sie es in ihrer wilden Einfalt so gar nicht ein bißchen kokett verbirgt! Und er? Er schlägt die Augen nieder, wie er es schon früher gemacht hat, anders aber als die arktische Anada, so halbwegs und heuchlerisch nämlich, daß man ihm, traute man sich nur, die Lider hochzwingen möchte. Lächelt vor sich hin und tut, als merkte er nichts, als bemerkte er, ausgerechnet mein schamhafter Herr Hans, nicht etwas leicht Unschickliches an so viel unverborgener Bewunderung.
Vielleicht stört es ihn aber gar nicht, vielleicht schätzt er gerade das Unraffinierte, ein bißchen ungeschlacht aus Sabine Hervorbrechende. Ich staune ja selbst immer noch, wenn zwischen ihren, wie soll ich sagen: wulstigen, weichen Lippen manchmal so
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