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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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schwermütige Übertreibungumgibt. Für ihn ist es im Augenblick leichter und luftiger. Er taucht oft im Tristanweg auf.
    Aber natürlich ist er nicht irgendein dummer, tolpatschiger Mann. Ich habe ihn erwischt, wie auch er, umgekehrt und verstohlen, seine Frau studiert, plötzlich mit einem interessierten Lächeln, neugierig, wie damals, als sie sich bei den Tieren für den Tiger entschied.
    Wäre Sabines Verhalten Taktik, hätte sie keine bessere wählen können. Leider ist es keine, es gibt für mich nicht den leisesten Zweifel. Ihr Zurücklehnen ist echt. Hans erkennt nicht, daß es ein untröstliches, wenn nicht gar trostloses ist.
    Sie spricht nicht mehr davon, daß sie mit ihrer Berufstätigkeit aufhören möchte, aber, besonders wenn wir allein sind, von der Zeit damals, als noch alle uns besuchten, als noch die schwierige Jeanette Herzer und die freche Iris Steinert, die sanfte, couragierte Ilona, der Gemütsmensch Hehe, Ritter Zock und der steife Finnland, als sie alle, alle unseren Herrn Scheffer so heiß liebten und bewunderten und der Abglanz seines Lichts auf ihnen lag und wir zu seligen Kindern wurden, sobald er den Fuß auf die Schwelle gesetzt hatte. Merkwürdig, plötzlich sind ihr diese Leute teurer als jemals. Als sie noch kamen, da war ihr doch als einziger wirklich wichtig nur unser Herr Hans vom Hochmoor gewesen. Nun jedoch hängt und grübelt sie den vergangenen Treffen nach. Ihr Gesicht hellt sich dann unbewußt auf, belebt sich.
    »Wie haben sie dich alle verehrt, vernarrt waren sie in dich, ich glaube sogar meine Mutter, gib es nur zu, Mutter, auch du warst es in deinem Winkel, wie jeder von uns!« sagt sie, und er schmunzelt geschmeichelt und fragt mit gespielter Furcht, ob denn wenigstens wir beide noch immer …
    »Die Galeristin Steinert«, antwortet Sabine, »die hast du wohl am meisten provoziert, die war manchmal ganz außer sich vor Zorn, daß du ihr nicht stärker den Hof gemacht hast. An zweiterStelle kam die dickliche Magdalena. Weißt du überhaupt, daß sie deine Kastanie eigenhändig umgeschlagen hat?«
    Der abergläubische Hans ist zusammengezuckt. Sabine konstatiert das sorgfältig. Immerhin ist sie bei ihrer kleinen Gemeinheit ganz weiß im Gesicht geworden.
    Hans fragt nicht nach. Magdalenas Anschlag ist ihm also bekannt. Zusammengezuckt muß er demnach wegen Sabines ungewöhnlicher Attacke sein. Was ist bloß los mit meiner und seiner lieben, treulichen, traurigen Kleinen? Er betrachtet sie aufmerksam. Trotzig starrt sie zurück. Ich will doch hoffen: trotzig.
    Gut, höchste Zeit für mich, schlafenzugehen! Über die Gebräuche und Geräusche ihres Doppelbetts habe ich mir von Anfang an jede Vermutung streng und erfolgreich verboten, bravo, Luise Wäns! Prima durchgehalten, greises Mütterchen!
    Im Dunkeln kann man sich wunderbar Sorgen machen. Sie gedeihen prächtig im Finstern, bis sie sich, bei etwas Glück, verästeln und schließlich als Luftgespinst davonschweben. Ob mir das heute nacht gelingt? Mir wandert nämlich ein Satz im Kopf herum, seit Tagen schon, der Sabines Mund als giftige Kröte entschlüpft ist, als wir von der Terrasse aus Hans beim Mähen unserer kleinen Wiese zusahen. Er ist in diesen Dingen gar nicht mal sehr geschickt, besteht aber darauf, es nicht einem Gärtner zu überlassen. Natürlich muß er Lust dazu haben, er bestimmt den Zeitpunkt, wir finden uns damit ab, fanden uns doch bisher sehr gern damit ab!
    Während er sich nun so hin- und herbewegte, der liebe Mann, im Garten zwischen Gräsern, Blumen, Kraut, meinte Sabine auf einmal ins Blaue: »Hans geht richtig krumm inzwischen. Von hinten sieht er aus wie geköpft.«
    In diesem Moment spüre ich wieder ihre Fäuste in meinem Rücken. Das also hat sie gesagt, nicht bösartig, nur erstaunt, mehr zu sich selbst als zu mir, und betrübt hat sie es gesagt, dashörte ich sehr wohl, und es half aber nicht. Sie machte auch keinen Versuch, als die Wörter einmal draußen waren, sie zurückzunehmen oder abzuschwächen. Ich habe sie von der Seite erschrocken angesehen. Nein, böse war das Gesicht keinesfalls, verblüfft vielleicht, ungläubig, allerdings nicht allzusehr. Sie mußte das wohl schon öfter gedacht haben.
    Und damit liege ich nun im Dunkeln, und das Wort steht an der Decke und hallt mir in den Ohren. »Geköpft«.
    Sie hat auch ein paarmal fast schneidend gefragt, woran er eigentlich arbeite zur Zeit, sie sei gar nicht mehr auf dem laufenden. Da draußen in seiner ehemaligen Landschaft

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