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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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vor.
    Frau Gadow, neuerdings zu ihrem kleinlauten Mann: »Die gab es doch gar nicht, nie.«
Haß
    Nun erfährt es auch die Ilse am eigenen Leib. Es überkommt sie aus heiterem Himmel. Sie muß unbedingt jetzt sofort jemanden hassen. Ist da denn keiner? Doch, plötzlich fällt ihr Frau Fendel ein. Deren Lächeln aus dem Fenster heraus, als wüßte sie was über Ilse, irgendwas Geheimes, was sie, Ilse selbst, nicht ahnt. Sie haßt die Frau auf der Stelle dafür, vergißt auch darüber, daß erst der Haßwunsch und dann der Haß auf Frau Fendel entstand.
    Vergißt es beinahe, aber nicht ganz. Ilse nicht, nicht ganz.
Die Tigerin III
    Sabine benutzt das schwere Parfüm nicht mehr. Es paßte nicht zu ihr, jetzt ist das Raubtieraroma wieder da. Hans stört weder das eine noch das andere. Er selbst verströmt, sicher völlig ahnungslos, einen Duft, der mich, wenn ich ihn erwittere, sofort frei von allen Sorgen macht und abtrennt von ihnen, sie entschwinden und in Vergessenheit geraten läßt. Auch Mirko hatte doch nie einen strengen Geruch.
    Ich habe es also richtig vorausgesehen. Sabine wirft sich leider in neuer Erbitterung auf ihren verlorenen Sohn. Sie tut es mit echten theatralischen Reuegefühlen, als wäre sie ihm für eine Zeit sträflich untreu geworden in ihrem Glücksrausch. Nun hat sie ihr beständiges Unglück wiederentdeckt, es ist in ihrem gegenwärtigen Zustand für sie ein taufrisches. Sie gerät in Verzückung, kaum, daß sie Mirko erwähnt.
    Aber er ist doch kein Heiliger gewesen!
    Für sie ab jetzt schon. Sie betet sein Lebensschicksal nach dem Abendessen herunter, und ich frage mich immer ängstlicher, wann Hans der Geduldsfaden reißt, auch, weil er natürlich das Künstliche ihrer Erregung nicht übersehen kann. Zu plötzlich schießt die schwarze Leidensflut aus ihr hervor mit dem Befehl: Macht gefälligst mit, ihr beiden! Mein Jammer muß auch eurer werden, wenn ihr keine Unmenschen seid. Die Monate oberflächlicher Heiterkeit sind vorbei. Genug geflittert. Ab sofort hebt der unbestechliche Ernst des Lebens sein Haupt!
    Ich schäme mich, ich, die Großmutter meines herzlich betrauerten Enkels, weil ich, die doch keine Rabenmutter ist, einen Verdacht nicht unterdrücken kann: Sabine will mit diesem unlauteren Trumpf die Daseinslust ausrotten.
    Zu sexuellen Vergnügungen kommt es im oberen Stockwerk trotzdem. Mir wäre lieber, ich würde nichts davon mitkriegen. Vor allem Sabine läßt sich auf ihre rauhe Art hören. Am nächsten Morgen sind die Freuden der Nacht verputzt, kein Echo in ihren Zügen. Sind verputzt, wie man es mit einer Mahlzeit macht, verzehren, verschlingen und weg damit. »Freuden«, na ja, man sagt das so.
    Wie es wohl dem grüngrauen Herrn Holterhoff und seiner Terbenzel, der dickmolligen Miezel Terbenzel geht? Und dem Röhricht und den Fröschen da draußen?
    Es erinnert mich an die frühere Zeit, an die Monate nach Mirkos Tod, den wir nie verkraften werden. Sabine starrte damals oft, es konnte jeden Moment in sie fahren, voller Haß, rot und weiß vor Wut, den Herd, das Telefon, die Waschmaschine an und stieß zwischen den Zähnen den einen Satz hervor: »Wie konnte mein Junge bloß auf die Kreatur hereinfallen?« Das kommt nun neu zum Vorschein. Wenn sie gerade ein Messer, ein Werkzeug, einen Brieföffner in der Hand hält, umkrallt sie den Gegenstand als Angriffswaffe. Alles ist leidenschaftlich wiederauferstanden.
    Kürzlich aber dieses »wie geköpft«!
    Jetzt sitzt sie mit uns am Tisch. Die rote Leinendecke, die Hans so gefällt, liegt friedlich vor uns ausgebreitet unter den Tellern. Plötzlich dieser Satz, der einer Verfluchung ähnelt: »Wie konnte mein Junge bloß auf die Kreatur hereinfallen?« Dieselben Wörter nach all der Zeit! Sogar das Keuchen dabei ist das alte. Nur starrt sie heutzutage nicht Fernseher oder Kühlschrank an, sondern Hans, ihren lieben Mann, meinen Herrn Hans, in meinen Augen noch immer König des kleinen Hochmoors, funkelt ihn finster an, wie er ein wenig geduckt dasitzt, inzwischen mit immer mehr weißen Haaren im Grau, immer schneller kommen die bei Hans in seinem etwas zerfledderten rosa Hemdchen und mit der ein bißchen schiefen Brille, die er vergessen hat, abzusetzen, weil er nebenher sein Manuskript korrigiert oder ein Schachrätsel gelöst hat.
    Wem droht meine Tochter, wen zieht sie neuerdings zur Verantwortung?
    Hans saugt scharf das Fleisch zwischen Unterlippe und Kinn ein. »Zeig mir Fotos von ihm«, sagt er nach einer Pause vollkommen

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