Gewäsch und Gewimmel - Roman
an, dann mich noch einmal, wendet sich etwas von ihr weg, zieht die Schultern rätselnd hoch und die Unterlippe runter. Ich kann die gutmütige Frage ablesen: Ist das eine neue Mode, eine Laune, die Frauen einige Zeit nach der Hochzeit erfaßt? Dann muß sie wohl ertragen werden, bis sie vergeht.
»Ein harter Tag in der Bank«, behauptet Sabine, streicht die Bluse über dem platt gewordenen Oberkörper erbärmlich glatt und fährt fort: »Alles prima, alles in Ordnung mit mir«, fügt dann an: »Viel Ärger und Aufregung in der Bank« und weiter: »Nein, nein, nichts, nichts, alles hervorragend, alles ganz ausgezeichnet, keine Klagen, mir geht es vorzüglich, keinerlei Beanstandungen.«
Hans beäugt sie nun doch mißtrauisch, möchte ihr aber wegen des schönen Sommerabends bequemerweise nur zu gern glauben und beginnt von seiner Reise zum Bourtanger Moor zu berichten, von den schauerlich braunen Entwässerungsgräben und den endlosen Reihen aufgeschichteter Torfsoden, von der Gründung der Moordörfer, der Arbeit bleicher Moorbauern und von ihren kränkelnden Kindern, leichenblasse Kartoffelkeimlinge, bis die riesigen Maschinen kamen, die Trockenlegung und Abbau im Handumdrehen schafften. Aber natürlich interessieren ihn am meisten die wiedervernäßten Torfabbauflächen, die zu neuen Mooren werden sollen, mit Sonnentau, Moosbeere und Blumenbinse.
»WiW!«
Ob sie »Wow« meine, das vor allem amerikanische »Wow«, erkundigt sich Hans, etwas verkrampft.
»Neee, nee«, sagt Sabine, »WiW, wie ›Welt im Wandel‹. Nenenee! WiW!«
Dieser Blick von Hans daraufhin, noch kindlich erschrocken, aber schon mit aufsteigendem Zorn, wird mir eventuell unvergeßlich bleiben. Wäre es nur ein purpurroter, prächtiger Zornausbruch!
Die Tage vergehen, die köstlich riechenden Sommertage da draußen, an denen ich als zerbrechliches Mütterchen höchstens durch den feuchten und trockenen Garten humple, viel stärker humple, als ich müßte, zur Tarnung, damit man mich nicht ins Schutzgebiet mit zum Wandern schleppt, auch keine neunmalschlaue Elsa. Ich will nämlich nicht, noch nicht.
Ob die grünen Frösche sich wieder am Teichufer sonnen und Holterhoff mit seiner Madame unterwegs ist, um sie aufzuscheuchen und springen zu sehen? Die Zeit ist noch nicht gekommen für mich. Das sagt mir verläßlich meine Witterung.
Nein, Hans betrachtet seine Frau nicht zornig, leider nicht, sondern verwundert, ein wenig fassungslos, fast schüchtern, eingeschüchtert, und das bricht mir andeutungsweise das Herz vor Erbitterung gegen irgendwas. Ich darf das »irgendwas« aber unter keinen Umständen »meine Tochter« nennen.
Wie soll ich es für mich insgeheim ausdrücken, für mich und den Fernsehapparat in der Ecke, in die ich mich mittlerweile für den Rest des Abends zurückgezogen habe? Das fidele Sportlerinnengesicht einer Frau mit Strichlippen wirkt gerade bei einem Quiz wie der geschäftige Außenposten ihres Unterleibs, über dem die Jeans am intimen Dreieck extra dunkelblau gefärbt sind. Beruflich ist die Frau, sagt sie, in der Praxis eines Nierenarztes für die Urinproben zuständig. Der Moderator drückt ihr wegen guten Betragens fünfzig Euro in die Hand, aber reicht ihr zum Abschied lieber nicht die seine. Ich glaube, Hans hat nie um Sabines Bewunderung geworben, nun jedoch, wo sie ihm versagt wird, erschrickt er, beraubt, aber noch ungläubig, zieht die Schultern an, der große Kopf sitzt direkt auf den Schultern. So beobachtet man es entzückt bei sehr jungen Kindern. Er spürt kalteZugluft aus einer Richtung, die er als einzige noch für absolut sicher hielt, und kann nicht fassen, daß es ausgerechnet von dort aus eisig weht.
Sogar seine unscheinbare Tigerin mit den schönen Augen läßt ihn, den vom Glück verlassenen großen Hans vom kleinen Hochmoor, im Stich. (Als wäre es möglich, in der Nähe von Hans kein Glück zu empfinden!)
Und nun? Ich muß irgendwann in meinem Winkel eingenickt sein. Warum auch nicht, ich störe ja niemanden. Als ich aufwachte, brannte in der Küche noch tief in der Nacht Licht. Dort saß Hans, hatte den Champagner allein getrunken und schoß, grau zwischen Nase und Kinn, mit dem fröstelnden Körper hoch, stand richtig stramm, geblendet im ersten Moment, war also eingeschlafen wie ich. Er wird dann wohl gesagt haben: »Zu hell.« Ich hörte aber in meiner Schlaftrunkenheit: »Burg Elz.« Rührend fuhr er sich mit den Fingern durch das plötzlich so rasch weiß werdende Haar, verzog den
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