Gewäsch und Gewimmel - Roman
Kalkhold? Kalkfliehend? Lösung: Kalkstet!«
Freund: »Lösung: Der Wanderalbatros!«
Erwins Frau zeigt Wirkung
Erwin, nachdem er eine Weile den Fliegen zugesehen hat, erzählt ihnen das folgende: »Die Kostenreduktion bei Photovoltaik-Modulen steht doch in Wirklichkeit außer Zweifel. Etwa nicht? Das Fürchterliche an der Gegenwart, ihr kleinen Viecher, ist der überall waltende Zwang zum Mißtrauen. Bei jeder Ware, die man kauft, liegt der Verdacht nahe, daß sie in dieser Form ersonnen wurde, in Zusammensetzung und Verpackung, in Anfälligkeit und Parfümierung, um den Kunden übers Ohr zu hauen. Und das gilt auch für die ehemals ehrwürdigsten Firmen, falls es sie noch gibt, ihr lästigen Tierchen. Sie haben nur die Wahl: Betrugoder Untergang. Mir reichen schon die scheußlichen Metamorphosen, wenn die Warenmassen aus den Lastwagen in die Lager geräumt werden, von dort in den Regalen scheinheilig vereinzelt, von den Käufern gegriffen und in die Einkaufswagen geworfen, an der Kasse von den Transportbändern in die Vertiefungen zum Einpacken gestoßen wie Abfall. Lieber will ich meinen immer älter werdenden Händen zusehen, wie sie die alte Tasse packen und sie leise zwischen ihnen zittert. Dabei ist es jetzt, ihr kleinen Glotzaugen, in Stadt und Land Mode geworden, privat in Gruppen oder öffentlich im Fernsehen blindgläubig gegen den bösen Feind Hein hochraffiniert anzukochen. Läßt er sich aber auf Dauer täuschen? Manchmal möchte ich am liebsten nachrechnen, welche Ersparnis es brächte, wenn ich nicht mehr da wäre. Noch was. Es betrifft mehr als dich, Fliegenvolk, die Menschen. Seht euch nur, Fliegen, den Wahlkampf der Republikaner in Amerika an! Die Einzelwesen lösen sich durch unsittliche Aufreizung der Instinkte wollüstig in die immer neu erstarkende Dämonie der Masse auf. Diese Lust ist gewaltiger, als es ihre eigenen Überlebensinteressen sind.«
Für Anita hält er aber was anderes parat. »Die beiden Burschen«, sagt Erwin, sobald er seine Frau eintreten hört, »die den alten Baumriesen im Park angezündet haben, den man erst kürzlich zu seiner Rettung mit großem Aufwand ausgehöhlt hatte und der jetzt wegen des Brandes gefällt werden mußte, diese verdammten Kerls haben vorher die brennenden Wolkenkratzer zum 10. Jahrestag im Fernsehen angesehen, dann einen Pornofilm und unmittelbar vor der Tat an einem Kiosk Bratwürste gegessen!«
Als er hochblickt, bebt Anitas Kinn. Erwin freut, daß sie so viel Mitgefühl zeigt. Endlich einmal Anteilnahme! Sie spricht leise, er versteht sie kaum. »Eben ist unser Sohn fristlos entlassen worden. Wegen Veruntreuung.«
»Das darf doch nicht wahr sein«, ruft Erwin. Er schreit so laut,weil er ein bißchen, tief innen, enttäuscht ist von seiner Frau. Er wittert eine Treulosigkeit in ihr, einen heimlichen Verrat wie immer dann, wenn sie sagt: »Ach Erwin, nun sieh doch nicht so schwarz!«
Was hat sie da eben behauptet? Unser Sohn? Was war das? Der eigene Sohn?
Seine Frau aber ist eine sehr gute Frau. In einer Pralinenschachtel aus der Schweiz findet sie unter einem Zettel mit der Notiz »Nicht darüber reden!!!« drei Zeitungsausrisse. Der erste berichtet von vier Erwachsenen in Philadelphia, die in einem fensterlosen Raum ohne Toilette jahrelang vier geistig behinderte Erwachsene gefangengehalten haben, um deren Sozialhilfe zu kassieren, der zweite von einem Zoobesitzer in Ohio, den seine Frau verlassen hatte. Daraufhin öffnete er die Käfige und tötete sich selbst. 48 der freigelassenen Raubkatzen und Affen kostete es das Leben: Sie wurden sicherheitshalber erschossen, als sie durch die Straßen der Stadt liefen. Der dritte Artikel teilte mit, daß 2000 toten Haien (Hammer-, Galapagos-, Seidenhaie), die in einem Naturreservat im kolumbianischen Pazifik gefunden worden sind, von illegalen costaricanischen Schleppnetzfischern die Flossen abgeschnitten worden waren.
»Wie er sich Mühe gibt!« sagt Anita und schließt vorsichtig das Kästchen, »›Nicht darüber reden!!!‹ O Gott!« Kürzlich hat sie auch mitten in der Nacht gehört, daß er, mit dem Kopf unter der Decke, über Vorgänge aus entfernten Weltgegenden klagte. Würde ich denn, fragt sie sich und horcht auf ihr fremdes Herz, meines Lebens je wieder froh, wenn ich ihn wirklich verlasse?
Liebe Herta,
wir alle machen Fehler. Wie haben wir uns gnadenlos ereifert über Trudchen, daß sie sich immer nur von vorn genießt und deshalb so selbstzufrieden ist! Wenn die sich mal von hinten
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