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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Fenster gestürzt. Ich weiß nicht, hat er geschrien? Die Geräusche, die aus ihm kamen, waren grauenhaft.«
    »Ilona?«
    »Hatte Grippe, mußte zu Hause bleiben. Dietmar Herzer …«
    »Detlef, Frau Wäns, Detlef.«
    »Detlef Herzer hat ihm beigestanden. Als sich Herr Hehe schließlich umdrehte, war sein Gesicht etwas blutig, vom Aufreißen des Fensters, oder es floß Blut aus dem Mund. Auch der Gesichtsausdruck des Arztes war furchterregend. Dann sagte Hehe einen Satz, den ich bis heute auswendig kann: ›Wenn der Geschlechtsverkehr ein kleiner Tod ist, dann will ich doch hoffen, daß der große Tod ein Orgasmus mit Pauken, Trompeten und Posaunen ist.‹ Und wissen Sie was? Er schmunzelte dabei, so, wie man sagt, von einem Ohr zum anderen. Erst habe ich gedacht, es wäre dieser Satz gewesen, auf den es ankommt. Aber vielleicht ist noch wichtiger, was er vorher murmelte: ›Das war die Strafe.‹«
    »Strafe wofür?« flüstert Hans dicht bei mir zurück.
    »Er hat es nicht erklärt, auch nur so für sich gesagt, aber ich konnte es in meiner Ecke hören, vielleicht ich allein, und glaube, er empfand es als Treulosigkeit Ihnen gegenüber, in Ihrer Abwesenheit gegen das Gesetz unserer Abende, die doch ausdrücklich spielerisch sein sollten, zu verstoßen und aus Zorn auf Iris, aber noch mehr auf Sie und seine Schwäche, diese schaurigen Tatsachen zu erwähnen. Er hing so sehr an Ihnen, Herr Scheffer, deshalb.«
    »Herrgott, Frau Wäns, Sie meinen es gut, aber leicht machen Sie es nicht für mich.«
    »Es geht nicht anders, Herr Hans.«
    »Wie streng Sie mit mir sind, kleine Person.«
    Er spricht mit veränderter Stimme, sie ist umgeschlagen wie vorhin das Wetter. Die Heiserkeit könnte an den Dünsten liegen, an der Feuchtigkeit. Ich darf ihm aber kein Mitleid zeigen, eigentlich habe ich, was mich wundert, jetzt auch gar keins mit ihm. Dabei verrate ich mich dauernd: »Weiter?«
    »Weiter!«
    Es ist die harmloseste Geschichte von den dreien. Aber vor ihr habe ich am meisten Angst. Es geht um das Mädchen, und es ist nicht die Angst vor seinem Zorn, sondern die, ihn zu verlieren.
    »Es dreht sich im dritten Fall, Herr Scheffer, in diesem dritten Fall um das Mädchen. Wenn Sie lieber wollen …«
    »Los, los. Nicht so zimperlich, ihr Frauen. Da bin ich wirklich neugierig, teilweise ziemlich gespannt, richtig unziemlich gespannt. Die Hasenjäger, der Schlachter und jetzt die zarte Anada, das kleine Aas?«
    Das war sie damals noch nicht, durchaus kein Rabenaas. Nein, Hans spielt nicht bloß Theater, sein Spieltrieb ist animiert. Ich habe das geschickt angezettelt. Er will sich endlich, mitten in der nebligen Wildnis, über das von mir gewürfelte Ergebnis beugen und mir dessen Summe nennen, mein Herr Hans. Sind wir eigentlich inzwischen wieder im Naturschutzgebiet oder noch im Forst?
    »Sie hat uns, Sabine und mich, jeden Morgen neu bezaubert. Es war beim Frühstück vor allem die Blankheit des verschlafenen Mädchens. Man dachte, wenn sie dasaß und unendlich langsam aß, zwangsläufig an einen weißen Tagesmond oder an die Haut von Apfelblüten, obschon man selbst eben erst die härtesten Zeitungsnachrichten gelesen hatte. Die waren ausgelöscht, sobald sie erschien und vor sich hinträumte, die Glieder wachsweich, vor allem die Hände.«
    Sein Atmen ist nah bei mir, er will wohl von dem, was ich sage, keine Silbe verlieren, stöhnt leise, sehr erbarmungswürdig. Ich kümmere mich nicht darum und bin stolz auf meine sachliche Stimme:
    »Sie hatte dann meist die Katze auf dem Schoß, die sie mit der freien Hand streichelte, ganz regelmäßig sacht vom Nasenrücken zum Nacken hin, dem Tier tief entgegengebeugt. Das heiße Fauchen und die Attacke konnten weder wir noch sie vorhersehen, erst recht nicht verhindern. Der Angriff kam blitzschnell, war vorüber und hinterließ auf Anadas schneeweißem Arm eine blutige Spur.«
    »Das hat sie auch bei mir gemacht, das kleine Biest.«
    »Ich weiß das wohl, Herr Scheffer«. Es kommt ein bißchen weinerlich aus mir heraus, versehentlich. Weiter: »Was mich so getroffen hat, war ihre Trauer, diese viel zu große Traurigkeit, ihr gesamtes Gesicht feucht von Tränen. Sie rührte sich nicht, sagte kein Wort, so überrumpelt und entgeistert oder enttäuscht war das Mädchen, das doch bestimmt im Leben schon andere Schrecken erfahren hatte. Es blieb sitzen, trauerte einfach vor sich hin und sackte, besser schmolz immer noch ein bißchen mehr zu einem gekränkten Häufchen Elend zusammen.

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