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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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»Ich denke an das Stück, das Sie leider auch zu Anadas Ankunft wieder spielten.« Aber ich will den damaligen Schmerz in mir ersticken. Jetzt, in diesem Augenblick der Nebelschwaden, singt er es nur für mich. Ich, nur ich bin gemeint. »Gut, Rossinis ›Armida‹. Ich will’s versuchen, obschon es sich um einen Wechselgesang handelt«, sagt der abgedankte König der kleinen Moore. »Ich werde dann zum Mann überwechseln. Achten Sie darauf: Ich singe, wie es in unserm Fall richtiger heißen müßte, ›Se caro‹, männlich also, Frau Wäns, ›a te son io‹. Übrigens haben Sie gut gewählt. Auch in der ›Armida‹ kommt ein Zauberwald vor.«
    »Idol mio! Idol mio!« Ich wußte schon vom Liebesliedchen auf dem Mauerwerk der Festung Dömitz her, daß er beim Singen ein bißchen krächzt. Ist es jetzt gerade das rauhe Brechen der Stimme, das mich so rührt und weit und selig in diesem Nebelgewoge auseinanderfaltet, daß der Rest von mir am liebsten hinterhersterben möchte vor Glück, und weil mein Herz nicht weiß wohin? Meine Mutter hatte von Anna Hornberg nicht die bewunderte Altstimme geerbt, aber sie sang oft, um kleinliche Gedanken zu vertreiben, in die Luft hinein, und ich, ich möchte mich irgendwann nur noch in Liedchen äußern, so herrlich ist diese Überredung. Wenn es doch nie aufhören würde mit dem Singen und wir uns im Schweifen der Dünste rettungslos im Kreis drehten!
    »Idol mio! Che beltà!« singt Hans gegen die Rohrdommelrufe an: »Hören Sie? Ich bin ihr schöneres Echo. Ich fordere die Burschen heraus.«
    Und jetzt? Vielleicht ist ihm etwas eingefallen. Er verstummt mit einem Schlag. Es regnet nicht, doch die Nässe dringt von allen Seiten auf uns ein. Ob das hier das ozeanische Klima des Waldinneren ist, von dem er einmal gesprochen hat? Sind die großen Säugetieren nicht verschwunden, weil der Wald zu dicht wurde und keinen Platz für eßbare Pflanzen mehr bot? Wir müssen mit dem Fuß bei jedem Schritt nach sicherem Grund tasten. Man kann mir den Rucksack nicht rauben, man hat ihn mir ja schon beim Überfall weggenommen. Aber plötzlich sitzt mir wieder die Angst zwischen den Schulterblättern, an diesem empfindlichen Fleckchen, Angst vor dem wüsten Reißen, das mich hinterrücks aus dem Gleichgewicht brachte. Ich fühle Hans in diesem Augenblick nicht neben mir, dagegen fürchte ich, ein anderer Jemand könnte sich nähern aus der Gräue:
    Die pechschwarze Frau mit ihren beiden Dobermännern, die sie seelenruhig aus Kolonialrache auf mich losstürmen läßt, solange es sie amüsiert, alle drei mit riesigem Gebiß. Der Betrunkene, der sich im Schlamm rollt wie das böse Gewissen dessen, der ihn entdeckt. Der gewissenlose Sumpfgraf und Oberbürgermeister mit seinen milchigen Augen und sein klobiger irrer Sohn, dem hinten breit die Hose aufgeplatzt ist. Er weint und wimmert und ist so untröstlich, daß er jemanden erschlagen möchte. Die junge Mutter, die ihr kleines Kind im Wagen erst im Stich gelassen und dann irgendwo hier in der Nähe verscharrt hat, weil sie Kastanien suchen wollte. »Herr Scheffer?« schreie ich in meiner Not.
    »Hier, Frau Wäns, gleich bei Ihnen!« kommt treulich zurück. »Idol mio! Idol mio!« Mein Engel im besten Mannesalter summt es leicht karikierend, das entgeht mir nicht, als Erkennungszeichen, und legt mir die Hand zu meinem Schutz um die Hüften. Er glaubt, ich würde vor Kälte zittern, und zieht mich fester an sich, wohl deshalb immer enger an sich. Sofort beginnt andieser Stelle meine Haut zu antworten, ein Kräuseln der Oberfläche, das über den ganzen Körper läuft.
    Das ist, im richtigen und falschen Moment, meine letzte Chance, nach der Lösung der drei Szenen zu fragen, die mich nicht verlassen wollen, in lästiger Anhänglichkeit. Die Jäger, der Metzger und, jetzt am heikelsten, Vorsicht! Vorsicht!, das Mädchen Anada. Ich will es in diesem Nebeldurcheinander wagen. Wenn Hans nicht helfen kann, gebe ich kleinlaut auf. Dann: nie wieder. Ob ich mich noch an das Entscheidende erinnere nach so viel »Jahr und Tag«?
    »Herr Scheffer«. Wie gern ihn die Frauen damals so angeredet haben, bei jeder Möglichkeit, bloß um den Namen zu sagen! »Herr Scheffer, seit langem gehen mir drei Situationen im Kopf herum. Warum? Ich spüre, daß sie alle drei miteinander zu tun haben, ich komme bloß nicht dahinter, inwiefern. Sie geben aber keine Ruhe. Mich fuchst der geheime Zusammenhang. Ein Rätsel, das Sie vielleicht lösen können? Die Schüsse vorhin

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