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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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regelmäßig an ihm vorüberziehen, sagte sie sich schließlich, aber erst nach einer Weile. Drinnen sprach sie zu niemandem davon. Wie der Augenblick der Zeit, so war sie ihrerseits dem Augenblick entschlüpft.
    Jedenfalls wollte sie es am nächsten Tag so von sich selbst verstanden wissen. Warum nicht ein wenig philosophieren, sagtesie sich, bevor sie an ihre Arbeit ging: Nur im Augenblick ist die Wahrheit offenbar. Alles Davor und Danach verunstaltet sie. Alles wollen wir einspeicheln und passabel machen. So wie wir die Hölle scheuen, scheuen wir in Wirklichkeit auch den Himmel. Dann packte Babs ohne Seufzer die schwere Fototasche, die, wie Elsa immer predigte, Gift für ihren Rücken war.
Der Klavierlehrer
    Berlin. Wer kommt denn da, ausgerechnet am 1. Mai, als alle Fernsehsender den zu erwartenden Ausschreitungen entgegenfiebern, die Treppe runtergestiefelt? Nicht gestiefelt, nicht stolziert, sondern aggressiv getrippelt. Angriffslustig, ja, aber gleichzeitig selbstvergnügt. Es ist eine aufrechte Spindelmuschel, lebensgroß und auf zwei Beinen. Es ist, noch genauer, die Studentin Katja, die heute alle Haare, nach oben straff und spitz zulaufend gekämmt, grau gefärbt trägt und ein graues Kleid, das sich an den Schultern verwegen bauscht. Die Wölbung verringert sich dann kontinuierlich bis hin zu den Knien. Grau schimmernd die dünnen Strümpfe, mattgrau die sehr hochhackigen Pumps.
    Ob Katja wirklich noch Studentin ist? Jemand hat gehört, wie sie bilanzierend gesagt hat: »Ich weiß jetzt, wie die Männer schmecken.« Man sah sie in letzter Zeit ausschließlich neben einem großen, dicken, zuckerkranken Klavierlehrer. Nein, doch noch bei einer anderen Gelegenheit. In einem Schaufenster hat man sie erkannt. Da stand sie in schwarzem, lachhaft kurzem Abendkleid, ganz still zwischen lauter Kosmetikartikeln. Nur manchmal bewegte sie die Lider ein bißchen. Dann wurde sie abgelöst von einer anderen jungen Frau, die, während Katja wieder zum Leben erwachte, nun ihrerseits aus Reklamegründen in Topfblumenstarre verfiel. Man hat beobachtet, daß Katja der Lohn gleich ausgezahlt wurde, worauf sie unverzüglich Partituren kaufte.
Jenseits von Afrika
    Leipzig. Ruth ist zu ihrer Freundin Herta gefahren. Ein Erwiderungsbesuch, denn schließlich war Herta doch auch bei Ruth in Frankfurt a. M. Die beiden Frauen sitzen am warmen Frühlingsnachmittag auf der hölzernen Terrasse des Zoorestaurants, das von vielen Einheimischen als großzügiges Plantagengebäude zum Beispiel aus dem alten Kenia empfunden wird, wo man auf der Veranda seinen Tee nimmt und dazu die Laute der wilden Tiere hört, aber ohne sie demnächst erschießen zu wollen.
    Allerdings erzählt Herta gerade von weniger exotischen Vierbeinern. »Wußtest du«, fragt sie die Freundin, die wieder seelisch stabil genug ist, um solche Sachen zu verkraften, »daß man in den Fünfzigern bei den Nukleartests vor allem Schweine als Opfer benutzt hat wegen ihrer Menschenähnlichkeit? Als es darum ging, Brandwunden zu untersuchen, hat man sie in Uniformen gesteckt und ihnen teilweise Offiziersabzeichen aufgenäht, bevor man die Todeskandidaten in der Nähe des Explosionsorts zusammentrieb.«
    Ruth hört nur halb zu. Sie will etwas loswerden, das spürt Herta jetzt und ermuntert sie selbstlos zum Reden. Ruth beginnt unverzüglich: »Du erinnerst dich an meine Kusine mit den problematischen Familienumständen?«
    »Stephanie?«
    »Die doch nicht! Der drahtigen Stephanie geht’s prima. Aufsteigerin. Ihre Mutter hatte noch den Putzwahn in den vier Wänden. Dagegen Steffi, mit eigenem Haus in der höheren Liga, muß immer das Bohren, Hämmern, Zersplittern von Handwerkern um sich haben. Das Schöne für sie: Sie kann sich’s leisten. Vor ein paar Monaten war sie zum ersten Mal in Paris, leider mit Dauerdurchfall. Ich meine, in einer der Hauptstädte der Ostblockstaaten wäre es viel weniger peinlich gewesen. Aber so, praktisch unterm Eiffelturm, ich bitte dich!«
    »Irmi?«
    »Keine Angst! Die hagere Irmi kommt immer zurecht. Sogar der Tod und die Bestattung ihres eigenen Mannes stellten vor kurzem für Irmi in erster Linie eine logistische Herausforderung angesichts der weitverzweigten Familie dar. Hat sie alles mit Schwung absolviert. Mir selbst ist so etwas nur in der Firma gelungen. Ich glaube, sogar mit Bravour, aber nicht innerhalb des engsten Familienkreises!«
    »Marlies?«
    »Die Schmalzbacke schwebt im siebten Himmel. Sie hat sich einen neuen Liebhaber

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