Gewäsch und Gewimmel - Roman
schmeißen kann ich sie selbst.‹
Sie: ›Das traust du mir zu? Soll ich denn noch mehr jubilieren? Bist du nicht unverschämt jetzt, Ruth, so ein ganz klein bißchen?‹
Ich: ›Ich möchte Klartext, sonst nichts.‹
Sie: ›Gib schon her! Der schwarze Fettrand am Kragen macht mir nichts aus.‹
Ich: ›Er stört dich also?‹
Ulrike: ›Um Gottes willen, bei einer so edlen Bluse doch nicht, dazu von der greisen, fast blinden Mutter, Gott habe sie selig, die Tante Helene! Schmuddelkindern wie mir macht’s nichts aus.‹
Ich: ›Dein Busfahrer jedenfalls wird entzückt sein, wenn du ihn derart in Lila empfängst! Oder steht er mehr auf kornblumenblau‹?
War das so schlimm? Auf diesen freundlichen Satz hin, im Grunde eine Versöhnungsgeste, hat sie die Bluse auf den Tisch geknallt. Sofort war klar: Die berührt sie nie wieder.
Sie: ›Gut, daß du ihn erwähnst, Ruth. Das klärt es endlich auf einen Schlag. Der lacht sich halb tot über das Kardinalsgewand. Behalte die Kostbarkeit für dich. Wünsche Spaß beim pietätvollen Tragen.‹
Ich konnte ihr nur noch einen feuchtfröhlichen Abend mit dem Geliebten wünschen. Und was tut sie daraufhin? Sie bricht zur Strafe in Tränen aus!
Männer sind nicht weniger kompliziert, machen aber nicht solche Umstände. Und ich sage dir, Herta, das ist ein Segen! Vor zwei Jahren lädt unser oberster Chef zu einem Essen ein, Spitzenrestaurant, kleiner Kreis, eine Art Belohnung für irgendwas. Bei der Wahl des Weins schwillt ja vielen Männern der Kamm, hier kam es zu einer richtigen Panne. Der Chef nennt einen Namen und fügt hinzu: ›Französischen Wein nicht so gern, den trinke ich oft genug an der Riviera.‹ Darauf sagt der Oberkellner oder Kellermeister, was weiß ich: ›Das wird jetzt aber schwierig. Wie soll ich Ihnen‹ – und erwähnt die vom Chef gewünschte Sorte – ›anbieten, aber gleichzeitig keinen französischen Wein?‹ Der Chef wird rot. Er hatte offenbar einen Wein genannt, der spanisch klang, französisch war und dem Fachmann Unkenntnis bewies.
Beim Probieren der dann folgenden Empfehlung schweigt der Chef lange, starrt nur geradeaus. Alle warten. Schließlich brummt er: ›Der sagt mir nichts, sagt mir überhaupt nichts.‹ Heftiges Verfärben seitens des Kellners. Ein neu gewählter Wein wird vom Chef akzeptiert, und zwar mit diesem Na-es-geht-doch-Lächeln. Ich habe noch nie gesehen, daß ein Glas daraufhin dem Gast sogekonnt hingeknallt wurde. Hätte sich der Kellner mit Wissen um Macht und Vermögen seines Gastes wohl besser beherrscht, auch wenn der seine Jacke unschicklich über die Stuhllehne hängte und sie partout von niemandem fortragen ließ?
Aber Herta, nicht wahr, zwischen uns beiden darf es nie, niemals so heikel werden!«
»Auf keinen Fall. Ruth, das schwören wir uns!« Herta antwortet geistesabwesend durch das Geräusch der animalischen Stimmen hindurch.
Meisterhand
Alex tun die Muskeln weh, auch die Knochen. Er hat zu oft Mühe gehabt, nach den Verkrampfungen und Krümmungen tagsüber, sich zuhause in seine ursprüngliche Form zurechtzustrecken. Seine alten Gymnastikübungen sind vergessen. Wegen des sehr harten, zugigen Winters in den Eingängen der S-Bahnhöfe und U-Bahnschächte beginnt er zu zweifeln, ob er seinen selbständigen Zeitschriftenverkauf auf Dauer wird halten können.
Und jetzt, im Frühjahr, ist er fassungslos. Der Freund seiner verliebten Schwester hat einen leicht ramponierten Gasthof gepachtet. Nun werben die beiden wahrhaftig mit gepflegter Gastlichkeit in einem historischen Ambiente! »Das Angebot«, so behauptet das Pärchen, »umfaßt hausgemachte Eintöpfe – von Meisterhand gekocht – sowie verschiedene regionale Brotzeiten.« Alex verschlägt es die Sprache. Hat er nicht doch sein Leben verpfuscht? Auch solle man sich von »kulinarischen Schnitzelgerichten überraschen« lassen.
Ihm selbst hat das Chorsingen bisher noch keine Frau beschert, schon gar nicht eine mollige, wie er doch erträumt, mit recht dicklichen Brüsten unter weicher Wolle. Warum und von wem fühlt er sich hintergangen?
Winds Verdächtigungen
Herbert Wind geht die Sache mit dem eventuellen Infarkt im einsamen Alpental nicht so schnell aus dem Kopf. Einerseits haben ihn die Berge irregeführt oder durch Unpersönlichkeit hängenlassen. Aber immer stärker wird in ihm andererseits die Vermutung, die Ärzte hätten ihn zum Narren gehalten und ihn, da gerade Flaute war in der Klinik, nur dazu benutzt, ihre Maschinen und jungen
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