Gewäsch und Gewimmel - Roman
geangelt. Nein, ich spreche von der Katastrophen-Ulrike. Geht putzen, dabei hat sie Abitur. Machte aber seit Beginn ihres Liebeslebens immer nur mit Alkoholikern rum. Auch der jetzige: Busfahrer und außerdienstlich dauernd betrunken. Ihr Sohn ist Polizist, kriegt Krach, weil er zu laut beim Sex wird. Die Nachbarn beschweren sich. Nur ein emeritierter Professor für Niederländisch freut sich daran. Dem fährt die Vitalität des Ordnungshüters belebend in die Knochen. Ulrike selbst ist auch nicht ohne. Wenn sie aus dem Fenster kuckt, spürt sie den Drang, den Passanten was auf den Kopf zu werfen. Das ging schon ein paarmal fast ins Auge. Sie behauptet dann natürlich, es sei ein Versehen gewesen. Manchmal denke ich, bei uns liegt die Macke in der Familie.«
Herta horcht auf die Stimmen der Tiere und schließt halb die Augen. Sie weiß, daß sie sich nicht mehr um die Unterhaltung kümmern muß. Früher, als sie noch Altenpflegerin war, wog sie viele Kilos mehr als heute und brauchte das, um durchzuhalten. Auf dem Weg nach Hause hörte sie im Auto Popmusik, so laut wie möglich, um den Tag loszuwerden. Sie kann es sich kaum noch vorstellen.
»Was ich nicht weiß: Sollte ich bei dieser Affäre ein gutes oder schlechtes Gefühl haben? Ich meine, was meine Rolle betrifft. Urteile du, Herta! Ich mag Ulrike ja, aber schon wenn sie, kaum setze ich ihr ein Essen vor, jeden Bissen zum Mund führt, alsstände ihre Existenz auf dem Spiel! Ich könnte platzen. Darf gar nicht in ihre Richtung sehen. Da helfen alle guten Vorsätze nicht. Außerdem hat sie so eine Art, wenn ihr der Sinn danach steht, durchaus nicht zu sprechen. Sie hält stur den Mund, läßt einen quatschen und lächelt erpresserisch in die Luft. Schweigt wie ein Loch. Vielleicht hat sie sich die Taktik beim Kloputzen ausgedacht. Irgendwie soll sich ein schlechtes Gewissen einstellen. Ist das vorbei, geht das Geplapper zur Entschädigung los wie ein Gebirgsbach im Frühling, ohne Gnade. Dann holt sie auf!
Das nur, damit du informiert bist.
Natürlich ist Geld bei ihr notorisch Mangelware. Was anderes als Aldi, dm, H&M, Ikea kennt die gar nicht. Ich hatte aber noch ein tolles Oberteil von meiner Mutter, schwere Seide. Ein Lila, daß es einem die Schuhe auszieht. Klar, man muß dazu die richtige Haarfarbe haben. Hat Ulrike: kastanienbraun, rote Reflexe reingefärbt. Knöpfe, wie du sie bestimmt noch nie gesehen hast, vierfarbige Halbedelsteine oder so. Das machen sie nur bei sehr teueren Sachen. Man hätte jeden Knopf als Ring tragen können. So etwas darf man, versteht sich ja wohl, nicht waschen. Ist was für die Reinigung. Meine Mutter hatte in ihrem hohen Alter nicht mehr die Augen, um Schmutzränder am Kragen zu erkennen. Habe ich Ulrike gleich offen gezeigt und gefragt, ob es sie stört. Sie könne die Bluse dafür gleich mitnehmen. Für mich kam sie nicht in Frage, habe authentisch Größe 38. Das bildet sich Ulrike zwar auch ein, aber Größe 42, wie in diesem Fall, ist tatsächlich exakt das Richtige für sie, wegen der Fülligkeit obenrum.«
Herta bemerkt, daß die Tiere die kommende Nacht ahnen. Stemmen sie sich dagegen, oder rufen sie die menschenleere Dunkelheit herbei? Manchmal glaubt Herta, die Laute hätten einen Geruch, der sich je nach Tageszeit ändert und jetzt benebelnd, fast betäubend wird.
»Du hättest beobachten müssen, wie begeistert Ulrike war, als sie das Ding sah und anfaßte! Sie hat zwar erst der Form halber ihr skeptisches Schnütchen gezogen, aber die Augen haben ihr verräterisch gefunkelt. ›Ach ich weiß nicht, es ist ein Erbstück, und eigentlich für dich. Von der Figur her würde es dir genau wie mir passen, wir haben doch dieselbe Größe, trage du die Bluse nur. Ich bin ja nicht die Tochter.‹ Dazu sind ihr die Augen vor Gier beinahe aus dem Kopf gesprungen.
›Also nicht‹, habe ich, schon ein bißchen ärgerlich, gesagt und die Bluse weggenommen.
›Nein, nein, Ruth, sie ist wunderschön. Ich würde sie gern tragen, bin aber nicht der Mensch dafür. Meine Lebensumstände sind doch so schlicht.‹
Ich: ›Herrgott Ulrike, du bist eine attraktive Frau. Und die Farbe? Großartig zu deinen Haaren.‹
Sie: ›Machst du dich lustig über mich, bloß weil ich putzen gehe?‹
Ich: ›Mir reicht’s. Her mit dem Lappen, kein Wort mehr davon!‹
Ulrike: ›Ach Ruth, Ruth, jetzt bist du gekränkt. Gib mir die Bluse, ich würde mich schrecklich darüber freuen.‹
Ich: ›Nur, wenn du sie trägst. In die Ecke
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