Gewäsch und Gewimmel - Roman
Kraft nach oben. Hehe sträubten sich die Barthaare. Er trank aber schon. Sie standen um ihn herum, ich konnte ihn nicht mehr sehen von meinem Platz aus. Und so wie es ihm nach wenigen Minuten besserging, erging es auch uns.
Der Schrecken hatte bis in alle Ecken des Zimmers gereicht, jetzt war die Atmosphäre gereinigt, das spürte ich sogar in meinemSessel. Ilona waren von der Anstrengung blonde Strähnen aus dem Haarknoten gerutscht.
Hans, der die ganze Zeit mit geballten Fäusten und fast so fahl wie der Metzger dagestanden hatte, betrachtete sie mit Zärtlichkeit. Als sie irgendwann alle aufbrachen, sagte er zu ihr. »Mamsellchen! Ihr habt heute den ersten Preis verdient!« Mir selbst winkte er diesmal nur zu, aber Sabine, die sich neben Ilona befand, stellte er die Frage: »Wieso sind Ihre Augen nur so schön, Frau Wäns?« Ihre Augen sind tatsächlich schön, da hat er recht, nur merkt es sonst keiner.
Es wurde in den nächsten Tagen viel telefoniert. Iris Steinert, die Füchsin, die immer das Komplizierte der Verhältnisse aufdeckt, meinte zu mir am Telefon, so, als wäre ich eine Vertrauensperson, Herzer habe uns die alberne Gebirgsgeschichte aufgetischt, um uns zu verspotten, und Hans habe mit den »schlüpfrigen« Andeutungen zu einer Liebesstunde in einem gewissen Pavillon, man kenne ja seine Vorliebe für die Operette, den Arzt bloß bestrafen und zur Eifersucht reizen wollen, denn diese »fade« Jeanette könne unmöglich nach seinem erotischen Geschmack sein. So denke auch ihr Freund Boris. Interessant sei jedoch die Sache mit der Zockschen Kastanie und Didi: »Hochinteressant! Da wirkt was im Verborgenen. Da verrät sich was! Darüber werde ich mal nachdenken.«
Es hörte sich ziemlich zornig, beinahe bedrohlich an. Vielleicht verwechselte sie mich mit Sabine wegen der Ähnlichkeit unserer Stimmen? Sabine und Finnland hielten Hehes Muskelkrämpfe für einen Freundschaftsdienst an Hans. Ach, ich weiß nicht, ich kenne diese im Grunde so sympathischen Leute doch alle viel zu wenig, auch heute noch, wo sie andere Seiten von sich gezeigt haben. Jedenfalls machte den meisten das Geraune und Munkeln und Unken Spaß.
Allerdings erzählte Ilona Sabine bei einem Anruf, daß Herzer, dieser nette, zurückhaltende Gynäkologe und Ehemann, aus derPraxis am nächsten Tag mit seiner Frau telefoniert und dabei immer »Jeanette, bitte, Jeanette!« gestammelt habe. Man könne nur auf die Schwerhörigkeit der Patientin im Nebenzimmer hoffen. Jetzt sei nämlich er, ihr verehrter Chef, es gewesen, der zwischendurch laut geschluchzt habe.
Irgendwann später kriegte ich einmal mit, wie Herr Herzer im Vorübergehen vor sich hinmurmelte: »Diese insektenhafte Fröhlichkeit!« Es gab mir einen Stich, denn war das nicht gegen unseren Herrn Hans und seine Gesellschaftsspiele gerichtet?
Wieder beginnt das Schneegestöber, und mittendrin kommt jemand, bestimmt Herr Holterhoff, auf mich zu. Da nehme ich, bevor er mich erkennt, lieber Reißaus. Wieso sollte es ausgerechnet diesmal Herr Hans, Hans Hochmoor, Hans vom kleinen Hochmoor sein? Das Herz rollt sich wie ein junger Hund im frischen Schnee. Nichts anderes gibt es in diesem Moment als Flocken, Flocken, nur Flocken auf der Welt, nur Flocken in meinem Leben. Herrlich und endlich! Dazwischen nichts, nichts in den Zwischenräumen. Immer mehr Flocken an meinen Wimpern. Knarrt da der Specht? Ob es Sabine, Holterhoff oder Herrn Hans erschrecken würde, wenn sie mich zugeschneit fänden wie einen Zaunpfosten? Dabei gab es vorhin noch die gelbe Rispensegge in der Sonne, wie im Sommer. Ein Hitzegefühl ging von dem Gold aus, man hörte beinahe die Insekten summen. Um die Büschel herum natürlich in flachen Spänen das Eis.
Plötzlich reitet vor mir ein sehr gerade sitzendes Mädchen mit zwei ungesattelten Ponys, einem an jeder Seite. Nein, Anada ist es nicht, das wäre ja unmöglich. Aber jetzt fliegt, riesig gegen den Himmel, dicht über meinen Kopf weg, ein Bussard. Da, gleichzeitig legt sich von hinten eine Hand auf meine Schulter. »Hallo Frau Wäns!« sagt jemand lachend. »Sie telefonieren ja gar nicht. Mit wem reden Sie denn dann?« Herr Holterhoff! Schon ist er weiter.
Die Jäger? Das Mädchen? Der Metzger? Zusammen wohl doch ein Hirngespinst ohne Bedeutung. Die Bilder wirkten bloß so, alshätten sie eine. Am nächsten Tag hörte ich einen Satz von Sabine, als sie vor dem Schlafzimmerspiegel stand. »Wieso sind Ihre Augen nur so schön, Frau Wäns?« Sie hat ihn
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