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Gewagt - Gewonnen

Gewagt - Gewonnen

Titel: Gewagt - Gewonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Tischdame. Haben wir nicht gut für dich gesorgt?“
    Ingenieur Rolf Heier war ein flotter, gut aussehender junger Mann Anfang Zwanzig. Er blickte mit unverhohlener Bewunderung auf die schlanke, schöne Gestalt in Blau mit den glänzenden Augen und dem zarten Rot auf den Wangen.
    Astrid fühlte sich schmerzlich enttäuscht. Sie war keinen Augenblick auf den Gedanken gekommen, sie könne jemand anders zum Tischherrn haben als Per. Aber sie bemühte sich, der Enttäuschung Herr zu werden. Natürlich mußte man die Gäste nach Möglichkeit mischen. Sollten sie und Per nicht die Jugend und die gute Laune beisteuern, damit die Gesellschaft nicht zu steif und vielleicht gar langweilig würde?
    Sie wollte das Ihre dazu tun!
    Und Astrid lächelte ihr strahlendstes Lächeln. Ihr neues Glück verlieh ihr Sicherheit, und so brachte sie es denn fertig, ein paar lustige Bemerkungen zu Rolf Heier zu machen. Diese Fröhlichkeit stand ihr gut. Es fiel Harder schwer, die Augen von ihr abzuwenden.
    Die Flügeltüren zwischen den drei tiefen Zimmern standen offen. Glühbirnen und Wachskerzen in einer raffinierten Mischung schufen eine eigenartige Feststimmung. Nie hatten die schönen Möbel und Kunstgegenstände sich so gut ausgenommen wie an diesem Abend. Und nie zuvor hatte Harders Heim seine Solidität, seine Platzvergeudung, sein verfeinertes Gepräge so deutlich offenbart.
    Mitten in dem großen Salon stand Gerda. „Ist es möglich?“ murmelte Rolf Heier. „Mich trifft der Schlag!“ Der junge Heier hatte wohl Ursache zu starren. Seine Augen klebten förmlich an der schlanken Gestalt unter dem Kronleuchter.
    Von der jungenhaften, unbekümmerten, im Overall herumlaufenden Gerda war nichts übriggeblieben. Die Gestalt dort unter dem Kristallüster, die auf eine vollendete Weise jeden einzelnen Gast begrüßte, war ganz Frau. Und was für eine Frau!
    Ihre hohe, schlanke Figur war in enganliegendem saphirblauem Samt gekleidet. Es war eine leuchtende, beinahe aufdringliche Farbe, die alle Farben ihrer Umgebung aufsog. Das Kleid war tief ausgeschnitten. Die festen, wundervollen Schultern und der gerade Rücken und Hals hatten einen schwachen mattgoldenen Schimmer. Erst jetzt entdeckte Astrid, wie schön Gerdas Haar war. Bisher hatte sie stets ein Tuch oder ein breites Band um den Kopf getragen. Jetzt aber waren ihre hellblonden Locken in einer raffinierten Frisur hoch aufgesetzt. In ihren kleinen rosaroten Ohrläppchen glitzerten zwei riesige Diamanten, und auf dem blauen Samt funkelte ein blendender Diamantschmuck um die Wette mit dem schweren Armband, das ihr linkes Handgelenk umschloß.
    Ein federleichter Hermelinumhang war nachlässig über einen Stuhl hinter ihr geworfen.
    „Es ist das erste Mal, daß sie die Diamanten ihrer Mutter trägt“, hörte Astrid eine Stimme hinter ihrem Rücken. „Aber man muß schon sagen: Sie weiß sie zu tragen.“ Ja, Gerda trug ihr wundervolles Kleid und ihren Schmuck genauso natürlich und selbstverständlich, wie sie den Overall und das rote Kopftuch getragen hatte.
    Sie begrüßte die Gäste der Reihe nach und fand für jeden von ihnen die richtigen Worte. Als Astrid vor der strahlenden Erscheinung stand, kam sie sich plötzlich ganz klein und blaß und farblos vor. Die neugewonnene Sicherheit verließ sie. Sie war ein kleines Mädchen in einem bescheidenen Kleide, ein kleines Mädchen, dem man erlaubt hatte, an einer Gesellschaft von Erwachsenen teilzunehmen…
    Vorstellung, liebenswürdige Redensarten, routinierte Konversation. Sichere, erfahrene Menschen, die wußten, was man sagen mußte, um das Eis zu brechen, freundliche Augen von Herren in den mittleren Jahren, mütterlich beschützender Tonfall reifer Frauen gegenüber dem kleinen, etwas unbeholfenen jungen Mädchen. Eine Versammlung gebildeter, taktvoller und kultivierter Menschen – eine auserlesene Gesellschaft der Oberschicht der kleinen Stadt.
    Da erblickte Astrid Per Mostvedt.
    Er stand mit einem älteren Schiffsmakler und dem neuen Chefarzt des Krankenhauses zusammen am Kamin. Er sah Astrid nicht, aber sie sah sein Gesicht. Es zeigte einen lebhaft interessierten – einen etwas zu interessierten, zu artig lauschenden Ausdruck. Abgerissene Worte der Unterhaltung drangen an Astrids Ohren. Aktienkurse, Frachten, Schiffsreeder Tommessens neuer Zehntausendtonner. Dinge, die Per unmöglich interessieren konnten. Dinge, die meilenweit von seinem Beruf und von seinen Liebhabereien – Skilaufen und Badminton – entfernt

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