Gewagt - Gewonnen
herrenloser junger Hund vor drei Monaten bei der Polizei abgeliefert. Da er nicht abgeholt wurde, war sein Schicksal besiegelt. Er ist ja nun wirklich kein Rassehund und sollte deshalb getötet werden. Aber ich hatte den kleinen Kerl liebgewonnen, und so bekam ich ihn. Ja – ich hänge sehr an ihm.“
Trahnes Stimme hatte jetzt wieder denselben warmen Klang wie an dem Tage, da er von Timian Abschied genommen hatte.
„Die Anhänglichkeit dürfte gegenseitig sein“, sagte Astrid. „War er schrecklich unruhig?“ fragte Trahne und blickte Astrid ängstlich an.
„Nicht gar zu arg“, beruhigte Astrid ihn. „Zuerst winselte er ja ziemlich viel, aber dann nahm ich ihn auf den Schoß und sagte ihm, er müsse auf mich aufpassen; und nachts liegt er auf meinem Bett!“
Jetzt wurde Trahne dunkelrot.
„Ich schäme mich fürchterlich“, gestand er. „Ich hätte Timian das abgewöhnen sollen – auch daß er bei Tisch bettelt –, aber vielleicht können Sie mich verstehen… ich habe keine Familie hier… niemand, für den ich die Verantwortung trage…“
„Sie brauchen sich wirklich nicht zu verteidigen“, lachte Astrid. „Das ist doch ganz und gar Ihre eigene Sache. Und wenn es Sie beruhigt, so gestehe ich gern, daß ich an Ihrer Stelle sicher ebenso unvernünftig gewesen wäre. – Aber jetzt sind Sie wohl recht müde, Herr Trahne. Glauben Sie, daß Sie jetzt richtig schlafen können? Um Timian machen Sie sich doch wohl keine Sorgen mehr?“
„Ich… ich sollte eigentlich sehr viel Hübsches zu Ihnen sagen“, erwiderte Trahne. „Aber ich bin leider sozusagen noch etwas… schachmatt. Ich bin Ihnen sehr dankbar.“
Sein Gesicht sah plötzlich ganz verfallen aus vor Müdigkeit. Astrid stand auf.
„Sprechen Sie nicht von Dankbarkeit. Es macht mir riesigen Spaß, Timian bei mir zu haben. Und Sie können ganz sicher sein, daß gut für ihn gesorgt wird. Wie fein er aussieht – so frisch getrimmt! Sie werden ihn kaum wiedererkennen. Recht gute Besserung, Herr Trahne! Und machen Sie sich keine Sorgen um Timian!“
Du bist ja ein ganz neuer Mensch
Frau Liberg war von ganzem Herzen froh. Um ihr „kleines Mädchen“ brauchte sie sich keine Sorgen mehr zu machen. Astrid war richtig lebhaft geworden, sie wirkte ausgeglichen, ja glücklich, und sie hatte eine Sicherheit gewonnen, die ihr früher immer fehlte. Sie hatte nicht mehr die demütige und ängstliche Stimme von früher. Wenn Leute anriefen, um ihr einen Auftrag zu erteilen, war sie energisch, freundlich und geschäftsmäßig. Je mehr sie zu tun bekam, desto größer wurde ihre Sicherheit. Die Mutter freute sich.
Der Name Per Mostvedt wurde nie mehr genannt. Ein paarmal hatte Astrid ganz beiläufig Gerda erwähnt. Ihre Stimme hatte dabei vollkommen natürlich geklungen.
Die Arbeit in dem hellen Kellerraum ging ihr flott von der Hand und machte ihr nach wie vor Spaß. In einer Ecke lag Timian in seiner Kiste und führte sich verhältnismäßig artig auf. Er war im Laufe dieser wenigen Tage von Astrid ganz abhängig geworden, und er wurde nie müde, ihr seine grenzenlose Zuneigung zu zeigen.
Astrid rief im Krankenhaus an und sprach mit Schwester Jenny. O ja, es ging Herrn Trahne recht gut. Wahrscheinlich würde er in einer Woche entlassen werden können.
Astrid überlegte eifrig, während sie einen kleinen schwarzen Pudel in Arbeit hatte. Der arme Herr Trahne, der da so von aller Welt verlassen im Krankenbett lag, tat ihr unendlich leid. Aber natürlich konnte sie nicht gut noch einmal zu ihm gehen. Das hätte vielleicht aufdringlich gewirkt.
Der Pudel wurde abgeholt. Seine Herrin strahlte vor Zufriedenheit.
„Das hier ist eine kleine Zugabe“, sagte die Dame, nachdem sie bezahlt hatte.
Das „hier“ war eine Schachtel mit auserlesenem Konfekt. Astrid protestierte; aber die Dame gab nicht nach. Ihr Mann habe ihr die Schachtel von einer Auslandsreise mitgebracht, erklärte sie. Es wäre ja sehr gut gemeint gewesen, aber sie wage es nicht, Süßigkeiten zu essen. – „Wegen der schlanken Linie“, fügte sie lächelnd hinzu.
Und die Dame und der Pudel verschwanden, beide gleich vergnügt.
Astrid schaute die Schachtel mit dem Konfekt nachdenklich an. Sie wußte wohl, was sie gar zu gern getan hätte. Wenn es nur nicht zu aufdringlich wirkte!
Beim Mittagessen war sie still und in sich gekehrt. Sie war so still, daß Frau Liberg fragte, ob ihr etwas fehle.
„Im Gegenteil!“ antwortete Astrid. „Ich denke bloß nach. Ja doch,
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