Gewagt - Gewonnen
Timian… du bekommst gleich…“ Astrid tat Fisch, Kartoffeln und Soße in Timians Blechnapf und stellte diesen neben ihren Stuhl. Timian fraß gierig.
„Ja“, dachte Astrid. „Ich tue es. Und wenn schon! – Er wird es sicher richtig auffassen.“
So schrieb sie denn auf eine Karte:
„Liebes Herrchen! Mir geht es gut. Und ich bekomme ein Futter, mit dem ich zufrieden sein kann. Darum sollst Du auch einmal etwas Ordentliches bekommen. Gute Besserung und ein freundliches wau, wau von Deinem Timian.“
Die Karte wurde unter das Seidenband geschoben, mit dem die Schachtel verziert war, und dann wurde das Ganze manierlich in weißes Papier eingepackt.
Astrid hatte sich selbst gelobt, Timian nie wieder mit auf die Straße zu nehmen. Als sie aber den Mantel anzog und sah, wie er vor Ungeduld am ganzen Leibe zitterte und sie durchaus begleiten wollte, tat er ihr leid.
Sie erbarmte sich seiner also und machte die Leine an seinem Halsband fest.
Sie wollte die Schachtel mit dem Konfekt beim Pförtner abgeben. Sie brauchte ja mit niemand zu sprechen.
Als sie beim Krankenhaus anlangte, stand das Tor weit offen. Die Besuchszeit war längst vorüber. Wahrscheinlich war gerade ein Krankenwagen durch das Tor gefahren. Sie blickte in die Pförtnerloge. Sie war leer.
Astrid konnte sich hinterher selbst nicht erklären, wie sie so keß hatte sein können. Ehe sie noch recht begriff, wie es zugegangen war, waren Timian und sie durch das Tor geschlüpft und gingen den halbdunklen Gartenweg hinunter. Sie begegneten keinem Menschen. Astrid blickte auf die Uhr.
Sechs. Wenn sie sich nicht irrte, waren die Vorkehrungen für die Nachtruhe bereits getroffen. Wie war es gewesen, als sie selbst wegen ihrer Mandeln hier gelegen hatte? - Ja, die Stunde von sechs bis sieben war still und schrecklich langweilig. - Milde ausgedrückt, hatte sie sehr viel Glück gehabt.
Als sie, Timian kurz an der Leine haltend, die Treppe hinaufging, kam ihr der Gedanke, daß sie ja nach Schwester Jenny fragen könne, wenn jemand sie aufhalten wollte.
Aber sie traf niemand. Und es war, als habe Timian den Ernst der Situation begriffen. Er verhielt sich ganz unwahrscheinlich still.
Endlich standen sie vor Nummer sechzehn. Sie klopfte und lauschte. Ja. Von drinnen antwortete eine Stimme: „Herein!“ Sie klang lauter und kräftiger als vor ein paar Tagen.
Trahne saß aufrecht im Bett. Die Nachtlampe brannte, und er hielt ein Buch in der Hand.
„Das ist aber doch…“ Mehr konnte er nicht sagen. Denn schon hatte Timian sich losgerissen und war wie ein Unwetter über ihm. Astrid bekam ihn noch glücklich am Halsband zu fassen, bevor er die ganze Bettdecke zerknüllt hatte.
„Aber Timian… Timian…“ Astrid mußte ihn festhalten, während Trahne ihm immer wieder den Kopf und Nacken streichelte. „Wie fein du aussiehst, Timian! – Aber wer hat dir erlaubt, mich zu besuchen?“
„Wir haben uns eingeschlichen“, sagte Astrid. „Und wir bekommen fürchterliche Schelte, wenn wir entdeckt werden. Wir wollten eigentlich nur schnell dieses kleine Paket für Sie abgeben… aber da stand zufällig gerade das Tor offen, und wir schlüpften hindurch.“
Sie legte die Schachtel mit dem Konfekt auf die Bettdecke.
„Wie geht es Ihnen?“
„Danke. Vielen Dank. Es geht mir recht gut. Übermorgen soll ich entlassen werden.“
„Haben Sie…“ Astrid biß sich auf die Lippe.
„Ob ich was habe?“
„Nein, entschuldigen Sie… das geht mich nichts an…“
„Sprechen Sie es doch aus! Wonach wollten Sie mich fragen?“
„Ich… ich mußte nur daran denken… haben Sie jemand, der für Sie sorgt… jetzt, wo Sie doch Rekonvaleszent sind…?“
„O ja. Ich habe eine nette Wirtin. Es wird schon ganz gutgehen.“
„Wollen Sie, daß ich Timian noch ein paar Tage behalte? Ich meine, wenn Sie wieder zu Hause sind? Vielleicht wäre es das beste für Sie…“
Jetzt wurde Trahne wieder rot, und Astrid hatte den Eindruck, daß er etwas befangen war. Da tat er ihr noch mehr leid, denn sie wußte aus Erfahrung, wie scheußlich es ist, wenn man sich befangen und unsicher fühlt. Und sie wußte, wie wundervoll es ist, wenn man damit fertig wurde.
„Finden Sie nicht, daß ich schon tief genug in Ihrer Schuld stehe?“ fragte Trahne. Er fingerte an der Schachtel herum, für die zu danken er vergessen hatte…
„Nicht im geringsten“, sagte Astrid. „Ich kann Ihnen verraten, daß ich aus rein egoistischen Gründen frage. Ich habe Timian nämlich
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