Gewagt - Gewonnen
abstatten mußte.
„Hallo, Fräulein Liberg! Wohin wollen Sie denn so eilig?“
Astrid hatte um ein Haar einen Passanten umgerannt. Sie bremste auf der Stelle, soweit von Bremsen die Rede sein konnte, da Timian ja mit Leibeskräften an der Leine zog.
Der Passant, den sie beinahe umgerannt hatte, war niemand anders als Per Mostvedt.
„Oh! Sie sind es, Herr Mostvedt? – Guten Tag!“
„Wie geht es Ihnen, Fräulein Liberg?“
„Danke. Ausgezeichnet. Fürchterlich viel zu tun.“
„Es scheint so. Wo wollen Sie hin? Ich habe meinen Wagen hier. Kann ich Sie irgendwo hinfahren?“
„Nein, danke. Ich…“
„Ich habe im Augenblick genügend Zeit. Bitte, verfügen Sie über mich.“
Astrid wußte selbst nicht, was sie eigentlich veranlaßte, ja zu sagen. „Vorausgesetzt, daß es Ihnen nichts ausmacht, diesen kleinen Vagabunden mit in Ihren Wagen zu nehmen!“
Mostvedt betrachtete Timian kritisch.
„Was ist denn das für ein seltenes Exemplar?“ lachte er. „Ist dies das Ergebnis der sorgsamen Wahl einer Sachverständigen für Hunde?“
„Nein“, erwiderte Astrid. „Ich habe ihn nur in Pension, er gehört einem Freund von mir.“
„Einem… ja so! – Mein Wagen steht auf der anderen Seite der Straße.“
Timian hopste sehr willig in das Auto und nahm auf dem Hintersitz Platz. Und Astrid setzte sich auf denselben Platz, auf dem sie an jenem denkwürdigen Tag der Gesellschaft bei Harders gesessen hatte, als Per Mostvedt sie geküßt und eine Symphonie in Blau genannt hatte.
Es war, als fachte die alte Umgebung gewissermaßen die Flamme wieder an, die sie längst erloschen glaubte.
„Wo ist Gerda heute?“ fragte sie.
„Sie ist auf ein paar Tage nach Oslo gefahren. Sie will bei einer Weberin, die sie kennt, einige Decken und Vorhänge bestellen.“
Mostvedts Stimme klang merkwürdig trocken und freudlos.
„Wo wollen Sie hin, Fräulein Liberg?“
„Zu einem Scherenschleifer. Ich möchte ein paar Scheren nachschärfen lassen.“
„Wie geht es mit Ihrer Arbeit?“
„Fein. Macht riesigen Spaß. Sie wissen ja: ich und Hunde!“
„Ja“, sagte Mostvedt. Er fuhr langsam und vorsichtig in dem starken Verkehr und blickte unverwandt geradeaus. „Sie und Hunde.“
Es entstand eine kurze Pause.
„Und Sie selbst?“ fragte Astrid. „Wie geht es Ihnen? Ich meine nicht als Mensch, denn daß es dem Menschen ausgezeichnet geht, weiß ich ja – sondern als Tierarzt?“
„Dem Tierarzt geht es ebenfalls gut“, sagte Mostvedt, und Astrid wunderte sich wieder, daß seine Stimme so trocken klang.
„Haben Sie eine tüchtige Sprechstundenhilfe?“
„Behelfe mich im allgemeinen ohne. Das heißt: An drei Tagen in der Woche habe ich Gerda.“
„Dann sind Sie ja fein heraus. Eine bessere Hilfe können Sie ja gar nicht haben.“
„Nein. Natürlich nicht.“
Der Wagen hielt vor dem Geschäft, das Astrid hatte aufsuchen wollen.
„Ich warte hier auf Sie“, sagte Mostvedt. Er zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich zurück.
Astrid war sehr nachdenklich, als sie im Laden stand und einen Augenblick warten mußte. Pers Stimme hatte so wunderlich geklungen. Und seine Augen hatten nicht mehr den lebhaften Glanz, den sie in der ersten Zeit gehabt hatten.
Er öffnete ihr die Wagentür und half ihr beim Einsteigen.
„Und nun…?“
„Ich habe nichts mehr zu erledigen, was Eile hätte“, sagte sie. „Das heißt doch – ich wollte noch ein paar Kuchen kaufen. Wenn es für Sie kein zu großer Umweg ist, dann könnten wir bei Gundersen vorbeifahren…“
Per Mostvedt antwortete nicht, aber über seine Züge huschte ein schwaches Lächeln, als er ihr ins Gesicht sah. Und dieses schwache, gleichsam verstohlene Lächeln bewirkte, daß Astrids Herz so merkwürdig klopfte. Sie wußte doch, daß die Vergangenheit für sie keine Bedeutung mehr hatte. Warum also plötzlich dieses Herzklopfen?
Vor der Konditorei machte Mostvedt keine Miene, wieder einzusteigen, nachdem er Astrid behilflich gewesen war. Er verschloß die Wagentür.
„Jetzt haben Sie so viel Zeit gespart, daß Sie mit mir eine Tasse Kaffee trinken können“, stellte er fest, und er folgte ihr in die Konditorei. Er bestellte Kaffee und kleine Kuchen. „Und ein Stück Kopenhagener Gebäck von gestern für Timian“, verlangte Astrid.
Timian saß schon erwartungsvoll unter dem Tisch, den Kopf auf Astrids Schoß gelegt.
„Fräulein Liberg“, sagte Mostvedt lachend. „Wie oft haben Sie mich wohl zu Hundebesitzern sagen hören,
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