Gewagt - Gewonnen
daß die Tiere keinen Kuchen bekommen dürfen?“
„Keinen Kuchen, keine Schokolade, keine Süßigkeiten, keine fetten Soßen und keine Fütterung zwischen den Hauptmahlzeiten“, sagte Astrid auf. „Ich habe es nicht vergessen. Aber wissen Sie auch, daß Timian als lebender Beweis für die Fehlerhaftigkeit Ihrer Theorien herumläuft? Er ist der verwöhnteste Hund der Welt und dabei kerngesund und ebenso lieb, wie er schlecht erzogen ist.“
Timian bekam sein Kopenhagener Gebäck.
Es schien, als suche Mostvedt nach einem Gesprächsthema, weil er nicht von dem sprechen konnte, was ihm am Herzen lag.
„Haben Sie viel zu tun, Fräulein Liberg?“
„Sehr viel. Aber das macht Spaß. Natürlich habe ich mich daran gewöhnt, daß die Tiere mir mit Vertrauen begegnen. Aber es rührt mich doch immer wieder, wenn ich sehe, wie sie sich ruhig alles gefallen lassen, was ich mit ihnen anstelle. Legt etwa ein riesiger Bouvier seinen Kopf in meine Hand oder schmiegt sich ein kleiner Drahthaarterrier an mich, als wolle er mich bitten, ich solle nett zu ihm sein… ja, ich bin sicherlich sentimental, aber ich gestehe es offen ein: Ebendies – die Freundschaft mit den Tieren, das Vertrauen, das sie mir bezeugen – macht mir noch mehr Freude als die Arbeit selbst, obwohl sie wahrhaftig Spaß genug macht.“
Per Mostvedt saß still neben Astrid und blickte sie an. Ihr Gesicht leuchtete, und ihre Augen waren blank und froh. Ihr ganzes Wesen strahlte Wärme und Mitgefühl aus.
„Dann haben Sie nun also das Richtige gefunden“, sagte Mostvedt mit belegter Stimme.
„Ja, das habe ich sicher. Ich hätte es mir ja nie träumen lassen, daß es so viel Spaß machen könnte, Hunde zu trimmen. Freilich: Anstrengend ist es schon, manche Hunde sind nicht leicht zu trimmen; aber man bekommt kräftige Arme davon!“
Astrid lachte ein stolzes und glückliches Lachen. „Es gefällt Ihnen also jetzt besser als bei mir?“
„Sie wissen ja“, antwortete Astrid zögernd, als suche sie nach passenden Worten, „daß ich gern bei Ihnen gearbeitet habe. Sehr gern sogar. Aber dies hier ist doch etwas anderes. Jetzt trage ich ganz allein die Verantwortung. Hier werde ich nicht mehr auf einen Augenblick hereingerufen, um eine ängstliche Katze oder einen schwierigen Hund zu halten… hier bin ich selbst für das Tier verantwortlich von dem Augenblick an, da es abgeliefert wird, bis zu dem Augenblick, da der Eigentümer es wieder abholt.“
„Ich hätte beinahe etwas Dummes gefragt – aber haben Sie wirklich niemals Angst?“
Astrid lachte.
„So dumm ist diese Frage vielleicht nicht einmal“, sagte sie. „Gestern nachmittag trimmte ich einen Hund, der fast so groß war wie ein kleines Pferd. Meine Mutter kam auf einen Augenblick zu mir herunter, und da knurrte das Tier dermaßen, daß ich sie bitten mußte, sich in respektvollem Abstand zu halten. ,Hast du denn gar keine Angst?’ fragte meine Mutter. ,Dieser Riese da könnte dich doch in einem Nu erledigen, wenn er wollte!’ – Da dachte ich darüber nach und fand, daß Mutter eigentlich recht hatte. Es ist nur so, daß ich von selbst gar nicht auf diesen Gedanken komme. Dieser Hund war wirklich sehr temperamentvoll, aber es fiel mir eben nicht ein, daß er mir etwas tun könnte. – Und das tat er denn auch nicht.“
„Nein“, sagte Mostvedt. „Sie sind nun einmal ein richtiger Tiermensch.“ Und plötzlich brach es aus ihm heraus:
„Ich vermisse Sie ganz unsagbar, Fräulein Astrid.“
Da tat Astrids Herz einen kleinen Sprung in ihrer Brust. Aber merkwürdig! Gleich darauf war sie schon wieder ganz ruhig. Sie fühlte wohl eine Art Triumph, aber keine Schadenfreude.
„Ich freue mich, das zu hören“, sagte sie. „Rufen Sie nur ruhig bei mir an, wenn Sie eines Tages ein menschenfressendes Ungetüm von Hund in Behandlung haben. Ich werde dann gern kommen, ihn hinter dem Ohr kraulen und ,Na, du Kleiner?’ zu ihm sagen.“
„Ja, so sind Sie“, sagte Mostvedt. „Ich bin überzeugt, Sie hätten es bei den Silberfüchsen ebenso gemacht, wenn ich Sie nicht gehindert hätte…“
Plötzlich stand jener Nachmittag klar vor Astrids Augen. Es war das erste Mal gewesen, daß sie Per bei einem „Krankenbesuch“ begleitet hatte. Das erste Mal, daß sie eine Silberfuchsfarm gesehen, das erste Mal, daß Per ganz deutlich und ohne Vorbehalt gesagt hatte, er könne sie nicht mehr entbehren. Das erste Mal, daß sie auf Harders Gut gewesen war. Das erste Mal, daß Per Gerda gesehen
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