Gewalt
wurden (eine davon zeigte beispielsweise Mohammed, der im Himmel neu eintreffende Selbstmordbomber mit den Worten »Halt, uns sind die Jungfrauen ausgegangen!« begrüßt): Wenn es um die absichtliche Verletzung eines geheiligten Beziehungsmodells geht, ist Humor nichts zum Lachen.
Wie können die Beziehungsmodelle, die das Moralgefühl ausmachen, die verschiedenen Formen von Gewalt ermöglichen, die nach dem Eindruck der Menschen moralisch legitim sind? Und welches Maß von Freiheit schafft in den Gesellschaften die Möglichkeit, moralistisch gefärbte Gewalt zurückzudrängen oder – noch besser – ins Gegenteil zu verkehren? Alle Beziehungsmodelle beinhalten die Aufforderung, die Menschen, die ihre jeweiligen Funktionsregeln verletzen, aus moralischen Gründen zu bestrafen. Aber jedes Modell lässt auch eine ganz charakteristische Form der Gewalt zu. [1834]
Wie Fiske feststellt, brauchen Menschen zueinander nicht in Beziehung zu treten, um eines der Modelle zu nutzen – ein Zustand, den er als Nullbeziehung oder nichtsoziale Beziehung bezeichnet. Menschen, die keinem Beziehungsmodell unterliegen, sind
entmenschlicht
: Ihnen fehlen in den Augen der anderen die entscheidenden Merkmale der menschlichen Natur, und sie werden letztlich wie unbelebte Objekte behandelt, die man ignorieren, ausnutzen oder nach Belieben berauben kann. [1835] Eine nichtsoziale Beziehung schafft also die Voraussetzungen für räuberische Gewalt mit Eroberungen, Vergewaltigungen, Mord, Säuglingsmord, strategischen Bombenangriffen, kolonialistischer Vertreibung und anderen zweckgerichteten Verbrechen.
Stellt man Menschen unter die Ägide eines Beziehungsmodells, erlegt man sich damit zumindest eine gewisse Verpflichtung auf, ihre Interessen zu berücksichtigen. Gemeinschaftsgefühl verbindet sich mit Sympathie und Wärme – allerdings nur für die eigenen Gruppenmitglieder. Fiskes Mitarbeiter Nick Haslam vertritt die Ansicht, dass das Gemeinschaftsgefühl zu einer zweiten Form der Entmenschlichung führen kann: Nicht zur
mechanistischen
Entmenschlichung der nichtsozialen Beziehung, aber zu einer
animalistischen
Entmenschlichung, die bei Außenstehenden jene Merkmale leugnet, die im Allgemeinen als ausschließlich menschlich empfunden werden, wie Vernunft, Individualität, Selbstbeherrschung, Moral und Kultur. [1836] Solche Außenseiter werden dann nicht mit Kaltschnäuzigkeit oder Gleichgültigkeit behandelt, sondern mit Abscheu oder Verachtung. Das Gemeinschaftsgefühl kann diese Form der Entmenschlichung begünstigen: Man glaubt, den ausgeschlossenen Menschen würde das reine, heilige Wesen fehlen, das die Mitglieder des Stammes verbindet, und sie würden die Gefahr mit sich bringen, dass sie den Stamm mit ihren animalischen Eigenschaften verunreinigen. Das Gemeinschaftsgefühl unterstützt trotz aller seiner gemütlichen Nebenbedeutungen auch die geistigen Fundamente völkermörderischer Ideologien, die sich auf Stamm, Rasse, ethnische Zugehörigkeit und Religion berufen.
Auch die Autoritäts-Rangfolge hat zwei Seiten. Einerseits bringt sie eine väterliche Verantwortung mit sich, die Untergebenen zu beschützen und zu unterstützen, und damit dürfte sie die psychologische Grundlage für den Befriedungsprozess sein, durch den Herrscher ihre untergebenen Völker vor zerstörerischer gegenseitiger Gewalt schützen. Nach ähnlichen Prinzipien funktionieren auch die moralisch-rationalen Gründe, die von Sklavenhaltern, Kolonialherren und wohlwollenden Despoten angeführt werden. Die Autoritäts-Rangfolge rechtfertigt aber auch die gewalttätige Bestrafung von Anmaßung, Unbotmäßigkeit, Ungehorsam, Hochverrat, Gotteslästerung, Ketzerei und Majestätsbeleidigung. Wenn sie sich mit dem Gemeinschaftsgefühl verbindet, wird sie zur Begründung für die Gewalt einer Gruppe gegenüber einer anderen, darunter auch imperialistische und hurrapatriotische Eroberungen und die Unterwerfung niedrig stehender Kasten, Kolonien und Sklaven.
Gutartiger ist die Verpflichtung zum gegenseitigen Austausch bei der Herstellung von Gleichheit: Hier hat jede Partei durch den Fortbestand und das Wohlergehen der anderen etwas zu gewinnen. Die Herstellung von Gleichheit begünstigt auch ein Mindestmaß an Perspektivwechsel, aus dem, wie wir bereits erfahren haben, echte Sympathie erwachsen kann. Der friedensstiftende Effekt des Handels zwischen Individuen und Nationen dürfte auf eine Geisteshaltung zurückzuführen sein, in der man den Handelspartner
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