Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewalt

Gewalt

Titel: Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Pinker
Vom Netzwerk:
1400 und 2000 abspielten ( 3700 davon wurden in eine Tabelle eingetragen), und irgendwann werden es 6000 sein. Bei ungefähr einem Drittel davon gibt es Schätzungen über die Zahl der Todesopfer; dabei unterscheidet Brecke zwischen militärischen Todesfällen (Soldaten, die im Kampf ums Leben kamen) und der Gesamtzahl der Opfer (zu der auch indirekte zivile Opfer gehören, die durch kriegsbedingten Hunger und Krankheiten ums Leben kamen). Brecke stellte mir freundlicherweise seine Daten auf dem Stand von 2010 zur Verfügung.
    Als Erstes zählen wir einfach die Konflikte – nicht nur die Kriege, in die Großmächte verwickelt waren, sondern sämtliche großen und kleinen tödlichen Kämpfe. Diese Zahlen, die in Abbildung  5 - 17 wiedergegeben sind, bieten einen eigenständigen Blick auf die Geschichte der Kriege in Europa.
    Abbildung  5 – 17 :
    Konflikte pro Jahr im Großraum Europas, 1400 bis 2000
    Auch hier erkennen wir in einer Dimension der bewaffneten Konflikte einen Rückgang: in der Zahl ihrer Ausbrüche. Um 1400 , zu Beginn des Zeitraumes, fingen die Staaten Europas durchschnittlich mehr als dreimal im Jahr einen Konflikt an. Diese Zahl ist in Westeuropa praktisch auf null und im Osten des Kontinents auf weniger als einen Konflikt im Jahr zurückgegangen. Selbst dieser Rückgang führt ein wenig in die Irre, denn die Hälfte der Konflikte spielte sich in Ländern ab, die in der Datenbank nur deshalb das Etikett »Europa« erhielten, weil sie früher einmal zum Osmanischen oder sowjetischen Reich gehörten; heute rechnet man sie in der Regel dem Mittleren Osten oder Mittel- und Südasien zu (wie beispielsweise die Türkei, Georgien, Aserbaidschan, Dagestan und Armenien). [571] Die übrigen osteuropäischen Konflikte spielten sich in früheren Republiken Jugoslawiens oder der Sowjetunion ab. Diese Regionen – Jugoslawien, Russland/UdSSR und die Türkei – waren auch für die hohe Zahl europäischer Konflikte im ersten Viertel des 20 . Jahrhunderts verantwortlich.
    Wie steht es mit den Opferzahlen in diesen Konflikten? Hier kommt uns die große Spannbreite des Conflict Catalog sehr gelegen. Aus der Potenzgesetz-Verteilung wissen wir, dass die größten Kriege zwischen den Großmächten die Ursache für den Löwenanteil der Todesfälle in allen Kriegen sein sollten – zumindest in allen Kriegen, die oberhalb der Grenze von 1000 Toten liegen und die bisher betrachteten Daten ausmachen. Richardson machte uns aber auf die Möglichkeit aufmerksam, dass eine große Zahl kleinerer Konflikte, die in den traditionellen historischen Untersuchungen und Datenbeständen fehlen, sich theoretisch ebenfalls zu einer beträchtlichen Zahl zusätzlicher Todesfälle summieren könnten (die grauen Balken in Abbildung  5 - 11 ). Der Conflict Catalog enthält erstmals Daten aus einem langen Zeitraum, die in diese Grauzone hineinreichen: Er erfasst die kleinen Scharmützel, Aufstände und Massaker, die unterhalb des traditionellen militärischen Horizonts liegen (natürlich wurden viele weitere derartige Vorfälle in früheren Jahrhunderten überhaupt nicht aufgezeichnet). Leider ist der Catalog bisher noch unvollendet, und derzeit wurde noch nicht einmal der Hälfte aller verzeichneten Konflikte eine Opferzahl zugeordnet. Bis er fertig ist, können wir uns eine ungefähre Ahnung von der Entwicklung der Opferzahlen in Europa verschaffen, indem wir anstelle der fehlenden Werte den Median der Opferzahlen aus dem fraglichen Vierteljahrhundert eintragen. Zusammen mit Brian Atwood habe ich diese Werte interpoliert: Wir haben die direkten und indirekten Todesfälle aus Konflikten aller Arten und Größen zusammengezählt, durch die Bevölkerungszahl Europas in den verschiedenen Zeiträumen dividiert und auf einer linearen Skala aufgetragen. [572] Dieses möglichst umfassende, allerdings noch vorläufige Bild der Geschichte gewalttätiger Konflikte in Europa zeigt Abbildung  5 - 18 :
    Abbildung  5 – 18 :
    Todesrate in Konflikten im Großraum Europas, 1400 bis 2000
    Obwohl die Bevölkerungszahl als Maßstab dient, verschwindet der bis 1950 anhaltende Aufwärtstrend nicht. Das zeigt, dass die Fähigkeit, Menschen umzubringen, in Europa größer war als die, mehr Nachkommen zu zeugen. Das wirklich Auffällige an dem Diagramm sind jedoch drei große Blutbäder. Neben dem Vierteljahrhundert, in das der Zweite Weltkrieg fällt, gab es noch drei Zeiträume, in denen das Leben in Europa besonders gefährlich war: die Zeit der

Weitere Kostenlose Bücher