Gewalt
. und frühen 20 . Jahrhunderts gehörten Quäker wie John Bright, Sklavereigegner wie William Lloyd Garrison, Vertreter der Theorie des sanften Handels wie John Stuart Mill und Richard Cobden, pazifistische Autoren wie Leo Tolstoi, Victor Hugo, Mark Twain und George Bernard Shaw, der Philosoph Bertrand Russell, Industrielle wie Andrew Carnegie und Alfred Nobel (der mit dem Friedenspreis berühmt wurde), viele Frauenrechtlerinnen und der eine oder andere Sozialist (nach dem Motto: »Ein Bajonett ist eine Waffe mit Arbeitern an beiden Enden«). Manche dieser moralischen Unternehmer riefen neue Institutionen ins Leben, die den Krieg verhindern oder einschränken sollten, darunter der Internationale Gerichtshof in Den Haag und eine Reihe von Genfer Konventionen über die Kriegsführung.
Zu einer verbreiteten Empfindung wurde die Friedensliebe erstmals durch die Veröffentlichung von zwei Bestsellern. Die österreichische Schriftstellerin Bertha von Suttner veröffentlichte 1889 den Roman
Die Waffen nieder
!, in dem die Grausamkeiten des Krieges in der ersten Person beschrieben werden. Und 1909 brachte der britische Journalist Norman Angell eine Streitschrift mit dem Titel
Europe’s Optical Illusion
heraus, die später als
The Great Illusion
erweitert wurde; darin vertrat er die Ansicht, Krieg sei wirtschaftlich sinnlos. Plünderungen mögen in primitiven Wirtschaftsordnungen, in denen Reichtum die Form endlicher Ressourcen wie Gold oder Land hat oder sich aus der Arbeit sich selbst versorgender Handwerker ergibt, profitabel sein. In einer Welt jedoch, in der Wohlstand aus Austausch, Kredit und Arbeitsteilung erwächst, können Eroberungen den Eroberer nicht reicher machen. Bodenschätze springen nicht einfach aus der Erde, und Getreide erntet sich nicht selbst; der Eroberer muss also ebenfalls die Bergarbeiter für den Bergbau und die Bauern für den Ackerbau bezahlen. Er macht sich selbst sogar ärmer, denn die Eroberung kostet Geld und Menschenleben, und sie beschädigt das Netzwerk aus Vertrauen und Kooperation, durch das alle sich über Handelsgewinne freuen können. Deutschland hätte durch eine Eroberung Kanadas ebenso wenig zu gewinnen wie Manitoba durch eine Eroberung von Saskatchewan.
Aber trotz aller literarischen Popularität wirkte die Friedensbewegung damals so idealistisch, dass sie von der Hauptrichtung der Politik nicht ernst genommen wurde. Suttner wurde als »sanfter Duft von Absurdität« bezeichnet, und ihre Deutsche Friedensgesellschaft galt als »komisches Nähkränzchen mit sentimentalen Tanten beiderlei Geschlechts«. Angell erhielt von Freunden den Rat: »Vermeide dieses Zeug, sonst wirst du mit Spinnern und Sonderlingen in einen Topf geworfen, mit Anhängern des Übersinnlichen, die in Sandalen und mit langen Bärten herumlaufen und von Nüssen leben.« [614] H. G. Wells schrieb, Shaw sei ein »gealterter Jugendlicher, der immer noch spielt … während des ganzen Krieges, den wir haben werden, wird diese Shaw’sche Begleitung weitergehen, als ob ein schwachsinniges Kind in einem Krankenhaus schreit.« [615] Angell hatte zwar nie behauptet, der Krieg sei überflüssig geworden – er vertrat nur die Ansicht, er diene keinem wirtschaftlichen Zweck, und hatte Angst, dass die ruhmsüchtigen politischen Führer sich dennoch hineinstürzen würden –, er wurde aber so interpretiert. [616] Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er zur Lachnummer, und bis heute ist er ein Symbol für naiv-optimistische Vorstellungen von dem bevorstehenden Ende aller Kriege. Während ich dieses Buch schrieb, nahm mehr als ein besorgter Kollege mich zur Seite, um mich über Norman Angell aufzuklären.
Nach Muellers Ansicht hat Angell es jedoch verdient, als Letzter zu lachen. Der Erste Weltkrieg machte in der Hauptrichtung des westlichen Denkens nicht nur dem romantischen Militarismus ein Ende, sondern auch der Vorstellung, Krieg sei in irgendeiner Form etwas Wünschenswertes oder Unvermeidliches. Luard stellt dazu fest: »Der Erste Weltkrieg veränderte die traditionellen Einstellungen gegenüber dem Krieg. Zum ersten Mal machte sich nahezu überall das Gefühl breit, dass es nicht länger zu rechtfertigen war, absichtlich einen Krieg anzufangen.« [617] Das lag nicht nur daran, dass Europa durch den Verlust von Menschenleben und Ressourcen ins Taumeln geraten war. Nach Muellers Feststellungen hatte es ähnlich zerstörerische Kriege in der europäischen Geschichte auch früher schon gegeben; dabei hatten sich
Weitere Kostenlose Bücher