Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
wiederzugeben, was sie uns haben sagen hören. Das gibt uns die Möglichkeit, Teile unserer Aussage zu wiederholen, um auf Diskrepanzen oder Auslassungen, die uns in der Wiedergabe aufgefallen sind, zu reagieren.
Um sicherzugehen, daß die Botschaft, die wir aussenden, identisch ist mit der Botschaft, die empfangen wird, bitten wir den Zuhörer, sie wiederzugeben.
Eine Lehrerin geht z. B. auf einen Schüler zu und sagt: „Peter, ich habe mir Sorgen gemacht, als ich gestern mein Notenbuch durchgesehen habe. Ich möchte sichergehen, daß du dir darüber im klaren bist, daß ich die Hausaufgabe von dir noch nicht bekommen habe. Kommst du nach der Schule mal in mein Büro?“ Peter murmelt: „O.k., alles klar“ und wendet sich ab. Da sie nicht sicher ist, ob ihre Aussage auch richtig verstanden wurde, bittet die Lehrerin um eine Wiedergabe: „Kannst du mir bitte wiedergeben, was du mich gerade hast sagen hören?“ Worauf Peter erwidert: „Sie haben gesagt, ich muß das Fußballspielen heute nachmittag ausfallen lassen und nach der Schule dableiben, weil Ihnen meine Hausaufgabe nicht gefallen hat.“ Da sie in dem Verdacht bestätigt wird, daß Peter ihre beabsichtigte Aussage nicht gehört hat, versucht die Lehrerin, sie noch einmal zu formulieren. Dabei achtet sie sehr genau auf ihre Worte.
Eine Behauptung wie „Du hast nicht zugehört“, „Das habe ich nicht gesagt“ oder „Du verstehst mich falsch“ kann bei Peter leicht dazu führen, daß er denkt, er wird getadelt. Da die Lehrerin deutlich merkt, daß Peter auf ihre Bitte einer Wiedergabe ernsthaft geantwortet hat, kann sie z. B. sagen: „Ich danke dir, daß du mir gesagt hast, was du gehört hast. Ich merke jetzt, daß ich mich nicht so verständlich ausgedrückt habe, wie ich es gerne getan hätte, also laß es mich noch mal versuchen.“
Gib deinem Zuhörer Wertschätzung, wenn er versucht, deiner Bitte nach einer Wiedergabe gerecht zu werden.
Gib dem Zuhörer, der nichts wiedergeben möchte, deine Einfühlung.
Wenn wir anfangs andere darum bitten, wiederzugeben, was sie uns haben sagen hören, fühlt sich das vielleicht ganz komisch und ungewohnt an, weil solche Bitten selten formuliert werden. Wenn ich die Bedeutung unserer Fähigkeit, um Wiedergabe zu bitten, betone, werden oft Vorbehalte geäußert. Die Leute befürchten Reaktionen wie: „Glaubst du vielleicht, ich bin taub?“ oder: „Hör auf mit deinen Psycho-Spielchen“. Um solchen Reaktionen aus dem Weg zu gehen, können wir unseren Gesprächspartnern schon im vorhinein erklären, warum wir sie manchmal darum bitten werden, unsere Worte wiederzugeben. Wir stellen klar, daß wir nicht ihre Aufnahmefähigkeit testen, sondern überprüfen wollen, ob wir uns verständlich ausgedrückt haben. Wenn unser Gegenüber daraufhin jedoch erwidert: „Ich höre, was du sagst, ich bin doch nicht blöd!“ haben wir die Möglichkeit, uns auf seine Gefühle und Bedürfnisse zu fokussieren und – laut oder still – zu fragen: „Sagst du gerade, daß du dich ärgerst, weil du deine Fähigkeit, Dinge zu verstehen, respektiert sehen möchtest?“
Um Offenheit bitten
Nachdem wir uns offen ausgedrückt haben, möchten wir oft gerne wissen ...
Nachdem wir uns offen ausgedrückt und das Verständnis, das wir haben möchten, bekommen haben, liegt uns oft daran, die Reaktion des anderen auf das, was wir gesagt haben, zu erfahren. Die ehrliche Antwort, die wir gerne haben möchten, geht normalerweise in eine der drei folgenden Richtungen:
... was die Zuhörerin dabei empfindet, ...
Manchmal möchten wir die Gefühle, die durch unsere Worte ausgelöst wurden, erfahren, und auch die Gründe für diese Gefühle. Danach können wir z. B. so fragen: „Ich möchte dich bitten, mir zu sagen, wie du das, was ich gerade gesagt habe, empfindest, und auch deine Gründe für diese Gefühle.“
... was der Zuhörer darüber denkt oder ...
Manchmal möchten wir etwas über die Gedanken unserer Zuhörer zu dem, was sie uns haben sagen hören, erfahren. Da ist es dann wichtig klarzumachen, welche Gedanken wir von ihnen hören möchten. Wir können z. B. sagen: „Kannst du mir bitte sagen, ob du glaubst, daß mein Vorschlag Erfolg haben wird, und falls du nicht an seinen Erfolg glaubst, was du meinst, woran er scheitern könnte?“ statt einfach zu sagen: „Sag mir doch bitte, was du über meine Worte denkst.“ Wenn wir nicht deutlich machen, welche Ansichten wir genau hören möchten, dann antwortet der andere
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