Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
du erschöpft und brauchst heute abend etwas Ruhe, Jane?“
Wir können anderen helfen uns zu vertrauen, daß wir bitten und nicht fordern, indem wir deutlich machen, daß wir nur dann ihre Zustimmung möchten, wenn sie freiwillig gegeben wird. Dann können wir fragen: „Hast du Lust, den Tisch zu decken?“, statt: „Ich hätte gerne, daß du den Tisch deckst.“ Dennoch besteht die stärkste Art mitzuteilen, daß unsere Bitte echt ist, darin, einfühlsam auf jemanden einzugehen, der nicht wie gewünscht auf unsere Bitte reagiert. Wie die folgenden Illustrationen zeigen, demonstrieren wir, daß wir eine Bitte und keine Forderung ausgesprochen haben, ganz besonders durch unsere Reaktion auf diejenigen, die nicht wunschgemäß auf unsere Bitte antworten. Wenn wir darauf eingestellt sind, einfühlendes Verständnis für die Gründe zu zeigen, die jemanden davon abhalten, das zu tun, worum wir bitten, dann haben wir nach meiner Definition eine Bitte geäußert und keine Forderung. Wenn wir eine Bitte statt einer Forderung auswählen, heißt das nicht, daß wir unser Anliegen aufgeben, wenn jemand auf unsere Bitte mit „Nein“ antwortet. Es heißt aber ganz sicher, daß wir erst dann einen Überzeugungsversuch starten, wenn wir einfühlsam auf die Gründe reagiert haben, die die andere Person von einem „Ja“ abhalten.
Es ist eine Bitte, wenn der Sprecher anschließend einfühlsam auf die Bedürfnisse der anderen Person reagiert.
Bitte kontra Forderung
Mit welchem Ziel äußern wir eine Bitte?
Echte Bitten auszudrücken erfordert Bewußtheit über unser Ziel. Wenn unser Ziel nur darin besteht, andere Leute und ihr Verhalten zu ändern oder unseren Willen durchzusetzen, dann ist die GFK nicht das geeignete Werkzeug. Der Prozeß ist für Menschen entwickelt worden, die zwar möchten, daß andere auf sie reagieren und sich ändern, aber nur dann, wenn sie es freiwillig und einfühlsam tun. Das Ziel der GFK ist es, Beziehungen aufzubauen, deren Basis Offenheit und Mitgefühl ist. Wenn andere darauf vertrauen, daß unser vorrangigstes Anliegen die Qualität der Beziehung ist und daß wir davon ausgehen, daß der Prozeß dazu da ist, alle Bedürfnisse zu erfüllen, dann können sie auch darauf vertrauen, daß unsere Bitten keine getarnten Forderungen, sondern tatsächlich Bitten sind.
Unser Ziel ist eine Beziehung, deren Basis Offenheit und Mitgefühl ist.
Es ist nicht so einfach, sich das immer bewußt zu machen. Besonders schwierig ist es für Eltern, Lehrer, Manager und andere, deren Aufgaben sich um das Beeinflussen von Menschen und das Erzielen von Verhaltensergebnissen drehen. Eine Mutter, die einmal nach der Mittagspause zu einem Workshop zurückkehrte, sagte: „Marshall, ich war zu Hause und habe es ausprobiert. Es hat nicht funktioniert.“ Ich bat sie zu beschreiben, was sie gemacht hatte.
„Ich bin nach Hause und habe meine Gefühle und Bedürfnisse ausgedrückt, so wie wir es geübt haben. Ich habe meinen Sohn nicht kritisiert und ihm auch keine Vorwürfe gemacht. Ich habe einfach gesagt: ,Sieh mal, wenn ich sehe, daß du die Arbeit, die du machen solltest, nicht gemacht hast, bin ich sehr enttäuscht. Ich wollte gerne nach Hause kommen und das Haus ordentlich vorfinden und die Hausarbeit erledigt sehen.‘ Dann äußerte ich eine Bitte: Ich sagte ihm, er solle sofort saubermachen.“
„Das hört sich so an, als hättest du alle Komponenten klar ausgedrückt,“ kommentierte ich. „Was geschah dann?“ „Er hat es nicht gemacht.“ „Und was geschah dann?“ fragte ich. „Ich sagte zu ihm, er könne nicht faul und unverantwortlich durchs Leben gehen.“
Ich konnte sehen, daß diese Frau noch nicht in der Lage war, zwischen einer Bitte und einer Forderung zu unterscheiden. Für sie war der Prozeß nur dann erfolgreich, wenn ihre „Bitten“ Zustimmung fanden. Wenn wir mit dem Erlernen des Prozesses am Anfang stehen, dann merken wir vielleicht, daß wir die Komponenten der GFK noch mechanisch anwenden, ohne uns über die zugrundeliegenden Absichten bewußt zu sein.
Manchmal jedoch – auch wenn wir uns unserer Anliegen bewußt sind und unsere Bitten sorgfältig formulieren – hören manche Menschen immer noch eine Forderung. Das trifft besonders dann zu, wenn wir Autoritätspositionen bekleiden und mit Leuten sprechen, die in der Vergangenheit ihre Erfahrungen mit „zwingenden“ Autoritätsfiguren gemacht haben.
Der Verwalter einer High-School lud mich einmal ein, seinen Lehrern zu
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