Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Titel: Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marshall B. Rosenberg
Vom Netzwerk:
wenn wir uns in abfälligen Vorstellungen über andere Menschen verfangen oder in Gedanken, daß mit uns etwas nicht stimmt. Der Autor und Mythologe Joseph Campbell empfiehlt, den Satz „Was denken die anderen wohl von mir?“ dem Glück zuliebe beiseite zu legen. Wir fangen an, dieses Glück zu fühlen, wenn wir damit beginnen, Aussagen anderer, die wir zuvor als kritisch oder vorwurfsvoll erlebt haben, als die Geschenke anzusehen, die sie sind: Gelegenheiten, Menschen, die in Not sind, etwas zu geben.
    Hinter einschüchternden Aussagen stehen ganz einfach Menschen, die an uns appellieren, auf ihre Bedürfnisse einzugehen.
    Wenn es immer wieder vorkommt, daß andere Menschen unseren Motiven und unserer Aufrichtigkeit beim Wiedergeben ihrer Worte mißtrauen, dann sollten wir vielleicht einmal unsere eigenen Absichten genauer untersuchen. Vielleicht ist unsere Wiedergabe und die Art, wie wir die Elemente der GFK anwenden, zu mechanisch, ohne ein klares Bewußtsein über ihren Hintergrund. Wir können uns z.B. fragen, ob wir mehr darauf aus sind, den Prozeß „richtig“ anzuwenden, als mit dem Menschen vor uns in Kontakt zu treten. Oder: Wir setzen zwar die Form der GFK ein, unser Hauptinteresse liegt jedoch darin, das Verhalten der anderen Person zu ändern.
    Eine schwierige Äußerung wird zu einer Gelegenheit, das Leben eines Menschen zu bereichern.
    Manche Leute verweigern das Paraphrasieren als Zeitverschwendung. Ein städtischer Verwaltungsbeamter erklärte in einer Übungssitzung: „Ich werde dafür bezahlt, Fakten und Lösungen zu produzieren, und nicht dafür, herumzusitzen und mit jedem, der in mein Büro kommt, Psychotherapie zu betreiben.“ Gleichzeitig wurde dieser Beamte jedoch von ärgerlichen Bürgern konfrontiert, die mit ihren wichtigen Anliegen zu ihm kamen und frustriert wieder weggingen, weil sie nicht gehört wurden. Einige dieser Bürger vertrauten mir später an: „Wenn man in sein Büro kommt, dann überschüttet er einen mit Informationen, aber man weiß nie, ob er einen überhaupt verstanden hat. Dadurch mißtraut man allmählich all seinen Informationen.“ Das Wiedergeben mit den eigenen Worten spart tendenziell Zeit, statt sie zu verschwenden. Studien über Verhandlungen in Arbeitskonflikten zeigen deutlich, daß sich der Zeitaufwand für die Lösung des Konfliktes halbiert, wenn sich die Parteien darauf einigen, daß jeder, bevor er selbst spricht, erst genau wiederholt, was der andere gesagt hat.
    Ich erinnere mich an einen Mann, der dem Wert des Wiedergebens anfangs skeptisch gegenüberstand. Er und seine Frau besuchten einen GFK-Workshop in einer Zeit, die für ihre Ehe sehr kritisch war. Während des Workshops sagte seine Frau zu ihm: „Du hörst mir nie zu.“
    Paraphrasieren spart Zeit.
    „Doch, das tue ich“, war seine Antwort.
    „Nein, das tust du nicht“, gab sie zurück.
    Ich wandte mich an den Mann: „Ich befürchte, Sie haben Ihrer Frau gerade recht gegeben. Sie haben nicht so reagiert, daß Ihre Frau wissen kann, daß Sie ihr zugehört haben.“
    Das verwirrte ihn, und deshalb bat ich ihn um die Erlaubnis, seine Rolle zu spielen – er gab sie mir bereitwillig, weil er bisher nicht besonders erfolgreich darin gewesen war. Seine Frau und ich hatten dann das folgende Gespräch:
    Frau: „Du hörst mir nie zu.“
    MBR in der Rolle ihres Mannes: „Das klingt, als wärst du total frustriert, weil du gerne mehr Kontakt zwischen uns fühlen möchtest, wenn wir miteinander sprechen.“
    Die Frau war zu Tränen gerührt, als sie endlich die Bestätigung bekam, daß sie verstanden wurde. Ich drehte mich zu ihrem Mann und erläuterte: „Ich glaube, das ist es, was sie Ihnen sagen möchte – sie braucht eine Wiedergabe ihrer Gefühle und Bedürfnisse als Bestätigung, daß sie gehört wurde.“ Ihr Mann schien verblüfft zu sein. „Ist das alles, was sie möchte?“ fragte er, ungläubig, daß eine so einfache Handlung eine so starke Wirkung auf seine Frau hatte.
    Kurze Zeit später genoß er die gleiche Zufriedenheit aus erster Hand, als seine Frau ihm seine Worte wiedergab, die er unter großer emotionaler Beteiligung geäußert hatte. Während er noch ihre Reflektion auskostete, schaute er zu mir und verkündete: „Das ist es wert.“ Es ist ein bewegendes Erlebnis, die konkrete Bestätigung dafür zu bekommen, daß jemand empathisch mit uns verbunden ist.

Empathie vertiefen
    Ich empfehle, daß wir unseren Gesprächspartnern ausgiebig Gelegenheit geben, ihr Anliegen

Weitere Kostenlose Bücher