Gewitter der Liebe
dass er das Bündel schnell loswerden wollte, sodass sich Julia langsam erhob und es ihm abnahm.
Erleichtert küsste er sie. »Lass uns von hier verschwinden. Ich kann es kaum erwarten, dich wieder daheim zu haben. Das Haus ist so leer ohne dich.«
»So geht es mir die meiste Zeit des Jahres«, erwidert sie ohne Bitterkeit und betrachtete das schlafende Baby in seinem Kissen. »Aber ich freue mich auch auf zu Hause. Übrigens«, setzte sie hinzu, »ich habe gesehen, dass es am Hafen heute Nacht wieder brannte.«
»Allerdings. Das Hotel Golden Gate und alle Häuser in der Straße sind niedergebrannt.«
Sie taumelte. »Auch das Haus, das wir bewohnt haben?«
»Ja, alles liegt in Schutt und Asche. Ich half bei den Löscharbeiten, aber es war nichts mehr zu retten. Wie gut, dass wir dort nicht mehr leben, nicht wahr?«
Mechanisch nickte sie und folgte Ross die Treppe hinunter.
Nathan erwartete das Paar im Flur und raunte Ross zu: »Pass gut auf die beiden auf.«
»Natürlich. Was glaubst du denn?«, brummte Ross, während Julia Nathan herzlich umarmte.
»Ich danke dir für deine Gastfreundschaft, mein lieber Freund.«
»Bei deinem nächsten Baby stelle ich gern wieder mein Schlafzimmer zur Verfügung«, witzelte er und strich Joseph sachte über den weichen Haarschopf. »Und gebt Acht, wer sich nachts in eurer Gegend herumtreibt.«
13
Ein Kind im Haus zu haben, war nicht nur für Ross eine Umstellung; auch Julia musste sich daran gewöhnen. Dass das Baby auch nachts schrie, weil es Hunger hatte, war inzwischen nichts Neues mehr für sie, aber der gesamte Tagesablauf war nun verändert.
Oft zog es Ross zu den Leuten, mit denen er die neue Route ausgearbeitet hatte. Dann saß Julia häufig am Fenster, blickte hinaus in den ständigen Nebel und fühlte sich gelangweilt. Die Zeiten, in denen sie nach Belieben das Haus verlassen konnte, waren nun vorbei – und auch die Arbeit in der Pension vermisste sie mittlerweile. In drei Wochen würde sie bei Nathan anfangen, auf die Abwechslung freute sich Julia – und das Geld, das sie dort verdienen würde, brauchte sie unbedingt, denn von Ross’ letzten Goldfund war so gut wie nichts übrig geblieben, und auch das Gehalt von Mrs Garland war fast aufgebraucht.
Hätte Julia mehr Bekannte in San Francisco, würde sie jeden Tag Besuch empfangen können, der den kleinen Joseph bewundern würde. Aber außer Mrs Garland und Nathan gab es niemanden – und wieder einmal bedauerte es Julia fast, keinen Kontakt mehr mit Lilly zu haben. Wenn sie doch bloß nicht solche Lügen in die Welt gesetzt hätte!
Bald würde Ross zu neuen Abenteuern aufbrechen, davor fürchtete sich Julia fast. Sicher, sie hatte den Kleinen bei sich, aber sie brauchte doch jemanden, mit dem sie sich unterhalten und lachen konnte.
Joseph gedieh prächtig. Auf dem anfangs runzeligen Gesichtchen erschienen allmählich zur Freude seiner Mutter Pausbäckchen und seine Augen blickten klarer. Julia konnte sich kaum satt sehen an ihrem Sohn und trug ihn oft stundenlang durch das Zimmer, um seine warme Nähe zu spüren.
Ross betrachtete den Jungen eigentlich nur, wenn Julia ihn dazu aufforderte. Wäre das Baby plötzlich verschwunden gewesen, würde es Ross anfangs kaum auffallen, und das machte Julia traurig.
Einmal, als sie Joseph bei Mrs Garland ließ, um einzukaufen, begegnete sie Lilly. Schnell huschte Julia mit gesenktem Kopf auf die andere Straßenseite, ohne auf Lillys flehenden Blick zu achten.
Kein Wort würde sie mehr mit dieser Dirne wechseln, noch nicht einmal über das Wetter!
Und dann kam der Tag, an dem Ross erneut seine Sachen packte, um aufzubrechen. Die anderen Männer, die sich ihm angeschlossen hatten, waren ebenfalls reisefertig und konnten es kaum erwarten, San Francisco zu verlassen.
»Sei nicht traurig, Liebes«, sagte Ross beim Abschied zu Julia. »Du wirst sehen, diesmal habe ich Erfolg.«
Sie zeigte ihm ein zuversichtliches Lächeln. »Willst du dich nicht auch von deinem Sohn verabschieden?«
»Aber er schläft doch, und außerdem ist er noch zu klein, um zu verstehen, dass ich eine Weile fort sein werde. Lass dich nicht zu sehr von Nathan ausnutzen, hörst du?«
»Er hat mich noch nie ausgenutzt!«
»Vergiss nicht, dass er Kaufmann ist und du bisher nicht für ihn tätig warst.« Er zog seine fellgefütterte Jacke an. »Wenn ich reich bin, musst du für niemanden mehr arbeiten, da wird Nathan dumm schauen.«
Sie entgegnete nichts und begleitete Ross hinaus in den Nebel.
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