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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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besitzt. Auch
Probleme, auch Krankheiten. Menschen wollen lieber an etwas sterben, was Krebs
heißt, als an einer simplen Ordnungszahl.
    Jetzt könnte man ja sagen, daß dieses tränenförmige, aus tausend
rotierenden Flüssen zusammengesetzte Raumschiff schon genug glänzte, aber
dennoch, fand ich, sollte es einen richtigen Namen haben. Darum überlegte ich
kurz und sagte dann: »Emily. Ich nenne das Schiff Emily.«
    Der Mann zuckte mit den Schultern und schenkte mir einen mitleidigen
Blick. Ich ging nach draußen, und er folgte mir. Als wir uns die Schier
anschnallten, fragte ich ihn, ob er eigentlich vorhabe, mir nicht mehr von der
Seite zu weichen. Statt jedoch eine Antwort zu geben, setzte er sich mit
raschen Skatingschwüngen in Bewegung und war auch schon außer Sicht. Immerhin.
    Als ich zwanzig Minuten und einige Mühen später wieder die Stelle
erreichte, wo ich schon den halben Vormittag stehend und rauchend zugebracht
hatte, wartete Maritta dort auf mich. Sie zeigte sich erstaunt, daß ich bereits
am ersten Tag eine richtige Abfahrt unternahm, während ich üblicherweise bloß
meine Ausrüstung ein wenig eintrug und es mir dann mit einem Buch auf der
Bergstation bequem machte. Darum lag so etwas wie Sorge in ihrer Stimme, als
sie mich fragte, wo ich gewesen sei.
    Â»Ich bin abgerutscht und konnte mich nicht mehr halten«, erklärte
ich. »Also bin ich bis nach unten gefahren.«
    Â»Du machst Witze.«
    Â»Nein, so ähnlich war es wirklich.«
    Â»Lügner«, sagte sie und gab mir einen Kuß auf die Wange. Es war ein
wunderbarer Kuß. Aber er tat weh. Niemand in diesem Schiff, das Emily hieß,
würde mich je küssen. In fünfzehn Jahren nicht. Darüber konnte kein Zweifel
bestehen.
    Ich küßte zurück. Dann gingen wir in die Hütte und tranken Tee.
    Unser letzter Abend. – Ich hatte einen Tisch im Restaurant
reserviert. Das war nicht gerade originell, doch was hätte ich tun sollen? Das
Hotel anzünden? Den Berg sprengen? Immerhin hatte ich ein Geschenk dabei, das
ich jetzt, nachdem wir unsere fünf Gänge bewältigt hatten und beim Cognac
saßen, hinüber auf die Seite Marittas schob. Ein kleines rotes Samtkästchen.
    Â»Für mich?« fragte sie, machte große Augen und kreuzte ihre
geschickten Arzthände über der nackten Stelle, die der Ausschnitt ihres
Abendkleids begrenzte und die ich schon den ganzen Abend mit dem Gefühl ewigen
Verlusts betrachtet hatte.
    Ich fand die Frage rührend. Hier war niemand außer ihr, der dieses
Geschenk verdiente. Sie nahm die kleine Box mit einer Behutsamkeit, als handle
es sich um einen dieser Vögel, die frühzeitig aus Nestern fallen und zumindest
hier auf der Erde größtes Mitleid und tiefe Zuneigung ernten. Maritta sah mich
an und stellte fest: »Wir sind aber schon verheiratet.«
    Ich erwiderte: »Man kann nicht oft genug um die Hand einer schönen
Frau anhalten.«
    Da war ein Lächeln in ihrem Gesicht wie Medizin für alle und alles.
Maritta öffnete das Kästchen. Ihr Blick fiel auf einen Diamantring. – Man
könnte jetzt sagen, daß das etwa so einfallsreich war wie ein Fünf-Gänge-Menü.
Doch es handelte sich immerhin um ein 6,66-Karat-Kleinod, das bei Sotheby’s New
York für fast 200000 Dollar
versteigert worden war. Ich hatte einen Auftrag gegeben und das Stück nach
Portland schicken lassen. Im Grunde war es Geld, das mir nicht gehörte,
Agentengeld, welches für diverse Interventionen zur Verfügung stand, Bestechungen
und ähnliches. Aber was sollte ich mit diesem Geld jetzt noch tun? Es
unnötigerweise mit nach X nehmen? Wo ich doch wußte, wie sehr Maritta für
solchen Schmuck schwärmte.
    Durchaus passend dazu, sagte sie, nachdem sie eine Weile gebührend
sprachlos gewesen war: »Das muß ein Vermögen gekostet haben.«
    So vornehm war sie. Allein den Umstand hoher Kosten feststellend,
dabei die naheliegende Frage vermeidend, woher ich so viel Geld überhaupt habe.
Auch wenn sie wahrscheinlich in diesem Moment noch nicht ahnen konnte, wie teuer dieser im Inneren völlig fehlerfreie und mittels
Smaragdschliff gefertigte Stein wirklich war.
    Und was sie nun leider gar nie erfahren würde, war die Tatsache, daß
diesen Ring einst Marilyn Monroe getragen hatte. Das war mir wichtig, nicht nur
der hohe materielle, sondern vor allem ideelle Wert, zumindest,

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