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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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ausgerüstet sein würden.
Freilich war es unmöglich, Bier für fünfzehn Jahre zu lagern.
    Alle, die hier standen, hatten die letzte Zeit in einem
deutschsprachigen Land zugebracht. Offensichtlich sollte uns das verbinden. So
wie auch der Umstand gleichen Alters. Allerdings waren wir uns nie zuvor
begegnet. Und ich war mir schon jetzt ziemlich sicher, daß wir selbst in
fünfzehn Jahren nicht das werden würden, was der Titel eines berühmten
Jugendbuchs verspricht, nämlich fünf Freunde.
    Eine Frau namens Schindler hatte das Kommando. Sie sah so aus, als
sei sie bei der guten Claire in die Lehre gegangen. Dominant und elegant und
kultiviert, aber aus Eis. Glitzerndes Eis, keine Frage. Doch damit Eis Eis
bleibt, muß es nun mal kalt sein. Immerhin war mir klar, daß ich mit ihr keine
Probleme haben würde, solange ich meine Aufgaben erfüllte. Worin auch immer
selbige in der Zukunft bestehen sollten. Ich war ja nicht etwa Bordingenieur
oder ein Genie am Computer oder fühlte mich geeignet, den Boden zu schrubben
(die Reinigung von Raumschiffen ist das große übergangene Thema der
SF-Literatur, einer Literatur, die Dinge voraussieht, die längst existieren).
Ich war Agent erster Klasse und hatte als solcher den Picasso und den
Archaeopteryx von Europa nach Amerika befördert. Das machte mich in den Augen
der übrigen Besatzung zu einer gleichzeitig bedeutungsvollen wie ominösen
Person. Immerhin lautete meine Order, die beiden Objekte während der gesamten
Reise bei mir zu behalten, wofür mir ein Safe in meiner Kabine zur Verfügung
stand. Beinahe fürchtete ich, daß dies meine alleinige Funktion bleiben könnte:
wie ein Wachhund vor einem Tresor zu sitzen.
    Na, mal sehen.
    Schindler stellte mich der restlichen Mannschaft vor. Nicht, daß ich
mir die Namen gleich merkte. Wozu auch? Dafür wäre noch genügend Zeit. In
eineinhalb Jahrzehnten würden die Namen dieser Menschen, die keine Menschen
waren, eine deutliche Furche in mein Bewußtsein schlagen. Vielleicht sogar
Wunden von der Art, die sich nicht schließen, solange man im gleichen Boot
sitzt.
    Nachdem der Etikette Genüge getan war und jeder die Hand des anderen
für einen Moment in der eigenen getragen hatte, erklärte Schindler, daß für den
nächsten Morgen der Start geplant sei. Erstaunlicherweise schien es ihr zu
genügen, daß ich erst zu diesem Zeitpunkt die beiden Gegenstände, derentwegen
diese ganze Unternehmung stattfand, an Bord brachte. Zumindest erwähnte sie
nichts Gegenteiliges. Es sah so aus, als wollte man sowenig Worte wie möglich
über unsere heilige Fracht verlieren.
    Ich fragte mich zum wiederholten Male, ob das tatsächlich ein
Picasso und ein Archaeopteryx waren, die ich da im Gepäck hatte, oder nicht
eher eine Bombe und ein Virus. Eine Vogelbombe und ein Vogelvirus.
    Der Start war für fünf in der Früh geplant. Spätestens um halb vier
sollte ich an Bord erscheinen und die beide Objekte in meinem Tresor – keinem
Stahlschrank, sondern natürlich einem Wasserschrank – deponieren.
    Â»Und wenn ich verschlafe?« fragte ich. Es war mir einfach
rausgerutscht. Alle sahen mich so entgeistert an, als hätte ich auf den
Spannteppich gespuckt. Denn abgesehen davon, daß es empfehlenswert war, gar
nicht erst schlafen zu gehen, klang es völlig abstrus, daß ein »Astronaut« seinen
Start verschlief. – Kinder verschlafen, Angestellte verschlafen, niemals aber
Astronauten. Wieso? Weil sie so wichtig sind? Wichtiger als Kinder und
Angestellte?
    Â»Schon gut«, sagte ich und trat wieder zurück in das Dunkel der
Gänge.
    Als ich zusammen mit dem Möchtegernjapaner, der mich hergebracht
hatte, das Raumschiff durch die Öffnung in der Wasserwand verließ, erkundigte
ich mich, wie es heiße.
    Â»Wer?«
    Â»Na, das Schiff.«
    Â»Keine Ahnung.«
    Die Leute, die von X stammen, haben es nicht so mit Namen wie die
Menschen von der Erde. Sicher, es gibt auch auf X für alles eine Bezeichnung,
eine Nummer, eine Formel, einen Code, doch ein Hund, als Beispiel, ist ein
Hund, gleich, wie süß er einen anschaut. Man ruft ihn »Hund«, und der Hund
kommt. Selbstverständlich würden auch die Hunde hier auf der Erde kommen, wenn
man sie einfach »Hund« riefe, aber es würde trotzdem etwas fehlen. Das habe ich
gelernt, daß alles, was einen Namen hat, dadurch einen Glanz

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