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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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sein.
    Ich reckte meinen Kopf weiter in die Höhe, bemühte mich um den
stärksten Ausdruck der Verachtung und sprach in Richtung des Mannes: »Du
verdammter Kuhtreiber, was suchst du hier? Trinkst und säufst, während deine
Leute zu Hause zwischen den Buchdeckeln des Korans feststecken. Sieh dich an in
deinem weißen Schipullover! Du schaust aus wie ein Affe in einem
Hochzeitskleid. Geradezu schwul. Fahr doch nach Hause und geh im Sand rodeln!«
    Sind Araber Kuhtreiber oder nicht eher Kameltreiber? Da hatte ich
mich wohl vertan. Aber darauf kam es nicht an. Denn die Kugel war geworfen,
sprang über die Hindernisse des Kessels, beschleunigte mehrmals, wurde endlich
müde und rollte schließlich wie eine weichgewordene Birne den kleinen Abhang
hinunter, um dort…ja, sie landete allen Ernstes im richtigen
Loch. – Der Mann hatte mich verstanden. Er war hochgesprungen, zeigte mit
seinem Finger auf mich und sagte ziemlich akzentfrei: »Faschist!«
    Â»Ach was?!« erwiderte ich. »Du bist also gar kein schwuler Araber,
sondern Jude.«
    Ich kann es nicht ändern. Es machte Spaß. Da war ein Gefühl
grenzenloser Freiheit. Freiheit zur Bösartigkeit. Dies alles indes unterlegt
mit einem hehren Ziel. Und diesem Ziel näherte ich mich mit großen Schritten.
Es gab jetzt kein Halten mehr. Ich sah, wie der Mann am Explodieren war. Die
irritierten Gesichter seiner Freunde verrieten mir, daß ich offensichtlich
genau den einen von ihnen ausgewählt hatte, der aus welchen Gründen auch immer
der deutschen Sprache mächtig war. Er mußte den anderen erst begreiflich
machen, was ich da gesagt hatte. Nacheinander erhoben sich die vier Männer,
während ihre drei Begleiterinnen nach draußen geschickt wurden. Ich meinerseits
hätte Maritta auch gerne angewiesen, den Raum zu verlassen. Aber mit ihr konnte
man das natürlich nicht machen. Freilich war sie völlig perplex. Eine
Katastrophe geschah. Eben noch war ihr durch mein diamantenes Geschenk ein
großes Glück widerfahren. Und gleich darauf schien ich verrückt geworden zu
sein. Wie konnte sie ahnen, daß das, was ich hier unternahm, einen
Rettungsversuch darstellte. Den Versuch, eine Eskalation hervorzurufen. Eine
Eskalation von solcher Wucht, daß ich außerstande sein würde, in der gleichen
Nacht meinen Auftrag zu erfüllen und mit dem Picasso und dem Archaeopteryx die
Reise nach X anzutreten. Dazu war allerdings nötig, daß mehr geschah als ein
paar ungehörige Beleidigungen meinerseits. Und es geschah auch mehr. Die vier
Männer umstellten unseren Tisch. Man hätte meinen können, eine saudi-arabische
Viererbobmannschaft bilde einen olympischen Ring. Währenddessen sprach ich ganz
ruhig zu Maritta, sie solle völlig unbesorgt bleiben, ich wisse genau, was ich
tue. Aus ihrem Blick schloß ich, daß sie, bei aller Bestürzung und der größten
Sorge um mich, mir dennoch glaubte. Sie kannte mich ja, sie wußte, daß ich
nicht irre war. Und daß dieses völlig unverständliche Handeln einen Zweck
besitzen mußte.
    Ich bat sie nun doch zu gehen. Ich sagte: »Tu mir den Gefallen.
Bitte!«
    Sie biß sich kurz auf die Lippe, nickte sodann, stand auf und
drängte sich an zwei der Männer vorbei, um das Restaurant zu verlassen.
Gleichzeitig waren mehrere Kellner erschienen, ferner jemand vom
Hotelmanagement sowie einer, der sagte, er sei der Hausdetektiv. Es war wie in
einer Verwechslungskomödie, wenn endlich alle auftreten und eine letzte große
Krisis durchlebt wird, bevor sich dann alles in Wohlgefallen auflöst. Aber an
einer Krisis kommt eben auch die Komödie nicht vorbei.
    Damit nun nicht doch alles dem Bemühen nach Schlichtung zum Opfer
fiel, machte ich noch eine abfällige Bemerkung über den Propheten. Gleich, wie
religiös oder weltlich diese Araber waren, das konnten sie nicht zulassen. Was
jeder verstehen kann, ich selbst am allerbesten. Die vier attackierten mich.
Ich erwischte eine Ohrfeige und einen Schlag auf den Hinterkopf. Die Leute vom
Hotel versuchten einzugreifen, bekamen ihrerseits etwas ab. Auch andere Gäste
des Restaurants mischten sich ein. Viele schienen zu glauben, ich hätte
irgendwie die Vormachtstellung der Amerikaner–
wirklich nicht mein Lieblingsland – verteidigt. Wie gesagt: Verwechslungskomödie.
    Doch selbst jetzt gab ich nicht auf, immer weiter auf einen
Kulminationspunkt

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