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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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zusteuernd. Ich erwähnte es bereits: Wenn ich will, bin ich
beweglich. Und ich wollte, wich einem Schlag aus, sprang in die Höhe, fuhr die
Faust aus und traf so punktgenau die Nase jenes Mannes, den ich von Anfang an
im Visier gehabt hatte, daß er zurückfiel und auf einer Tischplatte landete.
Nun ging es erst richtig los. So muskulös die Araber auch waren, richtig
geschickt waren sie nicht. Dennoch bemühte ich mich um ein Gleichgewicht der
Kräfte, eine Ausgewogenheit des Schlagens und Geschlagenwerdens.
    Endlich erschienen mehrere uniformierte Männer, die wohl eine Art
Privatpolizei oder Schipolizei oder sonst was darstellten, jedenfalls bewaffnet
waren. Ich hatte Blut im Gesicht und konnte nicht so richtig gut sehen. Ich
spürte, wie man nach mir faßte, mich auf den Boden drückte, meine Arme nach
hinten riß und mit einem Plastikband meine Handgelenke zusammenschnürte. Nicht
einmal Handschellen hatten sie hier. Genau das sagte ich auch, jetzt natürlich
auf Englisch: »Habt ihr denn nicht einmal Handschellen, ihr weißen Ärsche?«
    Jemand trat mir in die Hüfte. Ich lachte vor Schmerzen. Dann wurde
ich hochgehoben, machte aber keine Anstalten, meine Füße ordentlich
aufzusetzen. Sie mußten mich nach draußen schleifen. Dort stellten sie mich
gerade hin, und einer von ihnen schlug mir in den Magen. Ich hätte nicht
gedacht, wie weh so etwas tun kann. Man meint wirklich, die Faust stülpe sich
durch den Nabel ins Innere, um dort nach den Eingeweiden zu fassen und die
größte Unordnung anzurichten.
    Nun gut, das gehörte dazu. Es wäre naiv gewesen, zu meinen, die
halbe Arbeit würde ausreichen. Die halbe Arbeit reicht nie aus. Sowenig, wie
man halb sterben oder halb leben kann. Oder es möglich wäre, jemanden bloß zu
einem Viertel umzubringen oder nur zu zwei Dritteln zu belügen. – Ich weiß, daß
die Menschen glauben, genau das würde funktionieren. Süßer Traum.
    Nachdem mich die Kerle ordentlich verprügelt hatten und ich gar
nichts mehr sehen konnte, schleppte man mich woanders hin und ließ mich auf den
Boden fallen. Ich will nicht sagen, daß ich noch gut hören konnte, aber ich
meinte doch, das Geräusch des sich im Schloß drehenden Schlüssels zu vernehmen.
Offenkundig hatte man mich zur Beruhigung in irgendeine Abstellkammer gesperrt.
Das hier war schließlich das Timberline Lodge und kein Gefängnis. Randalierende
Gäste waren wohl eher eine Seltenheit. Wahrscheinlich wollte man zuerst
versuchen, den Sachverhalt zu klären, bevor man mich zur nächsten
Polizeistation transportierte. In keinem Fall jedoch würde ich es schaffen –
und das war das hehre Ziel –, zur rechten Zeit mein Raumschiff zu erreichen.
Man muß ja nicht unbedingt verschlafen. Es gibt auch andere Wege.
    Mir war speiübel. Jeder Atemzug verursachte mir Schmerzen, erst
recht die geringste Bewegung. Trotzdem war ich glücklich. Ich sah eine Zukunft
mit Maritta. Selbst wenn meine Gedanken unklar waren und ich weder an den
Picasso in meinem Zimmer dachte noch an den Umstand meiner im Vergleich mit
Maritta stark verzögerten Alterung. Schon gar nicht war in meinem dröhnenden
Schädel Platz dafür, mir die 200000
Dollar zu vergegenwärtigen, die ein hübscher kleiner Ring gekostet hatte.
    Ich verlor ein wenig das Bewußtsein. Nun, »ein wenig das Bewußtsein
verlieren« ist in etwa so blödsinnig wie »zu zwei Dritteln lügen«.
    Als ich wieder zu mir kam, war ein Auge zu und eines offen. Mit dem
offenen sah ich die vielen Kartons, die hier gelagert waren, sowie die Türe aus
verdrahtetem Glas und das Deckenlicht aus Neonröhren. Ich setzte mich auf und
hielt mir eine Weile den Schädel, wie man das mit Dingen tut, die man
festzukleben versucht. Aber ich war alles andere als ein Arzt meiner selbst.
Wie gut war es darum, daß nach einiger Zeit die Türe aufging und Maritta
zusammen mit einem Mann, dessen weiße Haare mir wie die Verdoppelung des Lichts
erschienen, den Raum betrat. Maritta kniete sich sofort zu mir hin, faßte mich
an der Schulter, drehte mich ein wenig und betrachtete mit dem detektivischen
Blick ihres Berufs mein stark lädiertes Gesicht.
    Â»Großer Gott, mein Liebling, die verdammten Schweine!« rief sie aus.
    Â»Das ist schon in Ordnung«, meinte ich.
    Der Mann mit den strahlendweißen Haaren zeigte sich untröstlich.

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