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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Er
sprach von einem Irrtum, einem Mißverständnis. Zeugen hätten bestätigt, daß in
dieser Sache ich das Opfer gewesen sei. Keine Frage,
daß die Männer von der Security übereilt und die falschen Mittel einsetzend
gehandelt hätten. Ganz abgesehen davon, daß sie diese falschen Mittel dann auch
noch am falschen Mann zur Anwendung gebracht hatten.
    Nun, ich hätte ihm gerne gesagt, daß das nicht stimmte. Daß diese
Schipolizisten ganz sicher den richtigen Mann
erwischt hatten, wenngleich man mir wegen des Ausdrucks »weiße Ärsche« nicht in
den Magen hätte treten müssen. Aber im Grunde war alles nach Plan gelaufen, und
ich hatte bekommen, was ich verdiente. Hatte erreicht, was ich hatte erreichen
wollen. – Freilich konnte ich das so nicht sagen. Andererseits war ich nicht im
mindesten daran interessiert, daß man mich jetzt in mein Hotelzimmer
zurückbrachte und sich solcherart doch noch die Gelegenheit ergab, mit Picasso
& Archaeopteryx das Raumschiff zu erreichen.
    Man kann sich fragen, warum ich es mir nicht einfacher gemacht und
ohne großes Theater meinen Auftrag unerfüllt gelassen habe. Warum ich überhaupt
nach Amerika gereist war. Aber ist das nicht vergleichbar mit all den Menschen,
die sich Tag für Tag wünschen, daß ein Unglück geschehe, daß man in eine
Straßenbahn laufe, von einem herabfallenden Gegenstand getroffen werde, in
irgendeine fatale Situation gerate, bloß, um endlich nicht mehr den gehaßten
Arbeitsplatz zu erreichen? Unfähig, ihren Job einfach zu kündigen, ergehen sich
die Menschen in Phantasien des Unglücks. Nicht, daß sie dabei sterben wollen.
Aber sie würden selbst eine schwere Verletzung in Kauf nehmen, nur damit eine
Veränderung geschähe, die man ebensogut mit ein paar deutlichen Worten
bewerkstelligen könnte.
    Nein, ein anderer, ein »normaler« Weg war mir nicht möglich gewesen.
Auch wenn ich wenig Gefallen daran fand, mit geschwollenen Augen und vielen
blauen Flecken und dem fortgesetzten Gefühl einer fremden Faust in meinem Magen
hier am Boden zu sitzen und meiner geliebten Frau Sorgen zu bereiten.
    Diese geliebte Frau half mir nun vorsichtig in die Höhe, und
zusammen mit dem Hotelmanager, oder was auch immer er darstellte, brachte man
mich in die kleine hauseigene Arztpraxis. Wo in der Tat ein Arzt wartete,
welcher es aber selbstredend Maritta überließ, den eigenen Gatten wieder
zusammenzuflicken. Ich war ja nicht ernsthaft verletzt, denn der Schlag in den
Magen war ein kontrollierter gewesen. Freilich würde man mich am nächsten
Morgen in ein Spital bringen müssen, um eine eingehende Kontrolle vornehmen zu
lassen. Wir waren hier in Amerika, und ich war Gast in diesem Hotel. Man
fürchtete eine juristische Intervention meinerseits. Ich beeilte mich zu
erklären, daß ich nichts dergleichen vorhabe. Ich sei Europäer und als solcher
sehr viel eher bereit, das chaotische Wesen eben nicht nur der Natur, sondern
nicht minder der Gesellschaft zu akzeptieren. Wie auch diese gewisse Tendenz
von Konflikten, sich ins Unübersichtliche zu steigern. Eine
Unübersichtlichkeit, für die man die Wachorgane nicht verantwortlich machen
könne. Nein, es würde mir reichen, wenn man mich für den Rest dieser Nacht in
einem anderen Zimmer unterbringen könnte. Nur um ganz sicher zu sein, daß diese
vier – fast wäre mir das Wort »Kameltreiber« herausgerutscht – Araber nicht noch mal versuchten, mich zu verprügeln. Von
anderen Forderungen wolle ich Abstand nehmen.
    Der Hotelmanager schien nicht zu wissen, ob er sich freuen oder sich
fürchten sollte. Fürchten davor, daß mein Gerede auf eine Gehirnerschütterung
oder Schlimmeres zurückzuführen war…
oder ob dies tatsächlich jenes befremdliche europäische Bedürfnis
widerspiegelte, auf Geld zu verzichten, wenn man statt dessen als ein
intellektueller Humanist dastehen durfte.
    Maritta sagte mit einer Stimme aus eisenharten Kamillenblüten: »Ja,
so ist mein Mann.«
    Â»Das ist sehr großzügig«, meinte Herr Weißhaar, auch wenn er es
gerne schriftlich gehabt hätte. Aber dafür war es wohl noch zu früh.
Beziehungsweise war es ja recht spät in der Nacht, halb drei. Spätestens jetzt
hätte ich aufbrechen müssen, mit einer Taschenlampe bewaffnet, den Stein und die
eingerollte Leinwand im Gepäck, um bei Mondlicht die

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