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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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er so eine Art Samurai. Was er ganz sicher nicht war. Seine prinzipielle
Sportlichkeit bestand ohne die Kenntnis von Selbstverteidigungsmethoden oder
Kampfsportvarianten. Eher gehörte er zu denen, deren Vorteil in
Auseinandersetzungen sich daraus ergab, schneller rennen zu können als der
Gegner. Ja im Extremfall einem Schlag, vielleicht sogar einem Projektil
geschickt auszuweichen. Die physische Überlegenheit des Projektils im wahrsten
Sinne unterlaufend.
    Wie auch immer, Montbard akzeptierte Lorenz’ Wunsch, ohne Pistole
auszukommen. Allerdings machte sie ihm deutlich klar, daß es nicht reichen
würde, bloß anwesend zu sein und sich einzig und allein darauf zu
konzentrieren, anstatt der fremden Haut die eigene zu retten. Dabei blickte sie
hinüber zu ihrem Bruder, welcher wiederum Lorenz mittels einer mimischen Geste
zu verstehen gab, daß dieser sich aus seiner Verpflichtung nicht würde
herausschwindeln können.
    Ja, das wußte Lorenz. Er begriff, daß gerade dann, wenn er seine
Idylle – sein Leben mit Sera, sein Leben mit Strickwaren, sein biedermeierlich
sanftes Rosmalendasein –, wenn er all das bewahren wollte, er diesen Auftrag
zur Lebensrettung in einer ernsthaften, letztlich das eigene Leben riskierenden
Weise würde erfüllen müssen. Das war der Preis. Jedes Glück hatte einen solchen
Preis. Nur die, die ganz ohne Glück waren, ohne Liebe, ohne Kind, ohne Tier,
ohne ein Blumenbeet, in das jemand versehentlich oder absichtlich treten
konnte, nur die waren auch frei davon, irgendeinen Preis zu bezahlen.
    Â»Können Sie mir wenigstens andeuten«, fragte Lorenz, »was heute
abend geschehen wird?«
    Â»Vielleicht gar nichts«, sagte Claire. »Vielleicht aber explodiert
das ganze Restaurant.«
    Â»Wie?« staunte Lorenz. »Und Sie meinen, ich sei der Mann, der eine
Explosion verhindern könnte? Indem ich etwa das richtige Kabel durchtrenne?
Bedenken Sie, in meinem Fall ist immer nur der rechte Draht auch der richtige.«
    Â»Wenn Gott es so will«, sagte Montbard, »dann wird es so sein.«
    Dieser Standpunkt überraschte Lorenz. Sosehr es im Grunde sein
eigener war. Daß nämlich alle Individuen im göttlichen Begehren wie im Inneren
einer versiegelten Marmelade gefangen waren und die einzige freie Entscheidung
darin bestand, ob man dabei heulte und jammerte und selbst noch die Süße der
Marmelade beklagte. Oder aber die Dinge trotz aller Klebrigkeit mit Würde und
Haltung ertrug.
    Lorenz Mohn nickte Claire Montbard zu, verbeugte sich leicht – und
zwar in Richtung des Gartens, so, wie sich einst der Dichter Jakob van Hoddis
im Angesicht vorbeilaufender Hunde verbeugt hatte – und verließ die Veranda und
das Haus. Draußen wartete einer von Montbards Leuten in einer Limousine,
allerdings auf der falschen Seite, weshalb er zunächst Lorenz hinterherfahren
und ihn überholen mußte, um überhaupt erst einmal in dessen Wahrnehmungsfeld zu
geraten. Sodann war er auch noch gezwungen, mehrmals zu versichern, kein
Taxifahrer zu sein. Lorenz’ Taxihaß war fundamental und pathologisch. Und
selbstredend gerechtfertigt. Denn Taxis waren bekanntermaßen vergiftet. Daß so
viele Menschen sich trotzdem in Taxis setzten, war wohl dem gleichen Phänomen
zu verdanken, das sie auch dazu verführte, auf Berge zu steigen, die ganz
offenkundig nicht bestiegen werden wollten.
    Als Lorenz ins Geschäft zurückkam, befand sich Sera gerade
im Gespräch mit einer Kundin. Ihr eigenes kleines Unternehmen, ihr Heiratsinstitut,
öffnete immer erst mittags. Vorher waren die wenigsten Menschen ernsthaft in
der Lage, Dinge, die ihnen halfen, von Dingen, die ihnen schadeten, zu
unterscheiden. Nachmittags tendierten zwar fast alle zur Müdigkeit, zur
Melancholie oder zu sentimentaler Tagträumerei, aber dennoch konnten sie dann
eher ein Glück von einem Unglück auseinanderhalten und vor allem einen
tatsächlich geeigneten Partner von einem bloß anziehenden. Jedenfalls begann
Sera ihre Beratung immer erst zwischen eins und zwei und war somit in der Lage,
in den Vormittagsstunden ihrem Mann im Geschäft zu helfen, nachdem dessen
Angestellte, Frau Kurtlan oder Courths-Maler oder wie auch immer sie hieß (ihr
Name war in all den Jahren im Nebel ewiger Nuschelei verblieben), in Pension gegangen
war. Seras Anwesenheit veranlaßte natürlich einige Kundinnen, erst nachmittags
in Plutos

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