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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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abseits dümmlicher Zinsen und dümmlicher Drohungen.
    Â»Wie schön«, sagte Montbard, »daß es einmal anders gekommen ist. Und
zwar gerade zur rechten Zeit. Ich weiß jetzt nämlich, wessen Leben Sie retten
sollen.«
    Â»Und zwar?«
    Â»Meines.«
    Â»Ihr Leben?«
    Â»Mein Leben, richtig«, betonte sie und ließ zum ersten Mal so etwas
wie Gebrechlichkeit anklingen. Gebrechlichkeit im Sinne einer ganz
grundsätzlichen Verwundbarkeit. Einer universellen Verwundbarkeit, der es zu
verdanken war, daß schlußendlich auch die Sterne starben.
    Â»Ach was!« meinte Lorenz. »Das ist aber ein wenig zuviel der Ehre.
Abgesehen davon, daß Sie doch sicher über eine Menge starker, junger,
hochmotivierter Burschen verfügen, die jederzeit bereit sind, eine Kugel für
Sie abzufangen.«
    Â»Stark und jung vielleicht, motiviert schon weniger. Und daß
wirklich jemand – mit Absicht – sich in eine Flugbahn wirft, ist eher
unwahrscheinlich. Wenn Bodyguards getroffen werden, ist dies eher der
Unfähigkeit des Schützen geschuldet. Abgesehen davon ist das Problem mit
Leibwächtern, daß man sie bereits auf hundert Metern als das erkennt, was sie
sind. Tarnung sieht anders aus. Nein, ich benötige jemanden, der nicht wie ein
Power Ranger daherwackelt. Jemanden, der einen anderen Blick für die Dinge
besitzt. – Sie haben doch einen anderen Blick für die Dinge, nicht wahr?«
    Â»Die meisten Leute meinen, ich würde nur eine Hälfte vom wirklichen
Leben mitbekommen. Finden Sie das vertrauenerweckend? Bedenken Sie: Würde
jemand Sie von links her erschießen, ich könnte es erst bemerken, wenn Sie tot
am Boden liegen. Vorausgesetzt, Sie fallen auf die richtige Seite.«
    Montbard vollzog ein breites Grinsen. Für einen Moment schien sie
allein aus diesem Grinsen zu bestehen. Selbst die schwarzen Balken sowie die rote,
gelbe und blaue Fläche ihres Kleides – Yves Saint Laurents Kostümhommage auf
einen belgischen Naturverächter – verblaßten unter dem Eindruck der beiden
makellos geschlossenen Reihen weißer Zähne, die im Rahmen der zwillingshaft
gesichelten Lippenteile hell aufleuchteten.
    Ganz im Stile jener Alice, die im Wunderland auf die Cheshire-Katze
trifft, dachte sich Lorenz: »Ich habe ja schon viele Frauen ohne ein Grinsen
gesehen, aber noch nie ein Grinsen ohne Frau.«
    Sekunden später befand sich dieses Grinsen wieder im sichtbaren
Gerüst der Person, die dieses Grinsen umgab. Claire Montbard machte nun klar,
daß sie überzeugt sei, daß gerade die veränderte Weltsicht eines Neglectikers
selbigen in die Lage versetze, eine Gefahr früher zu erkennen und sodann in einer
Weise zu reagieren, auf welche ein Angreifer nicht gefaßt sein könne.
    Â»Mag sein«, sagte sie, »daß ich das bloß denke, weil ich mich in
einer gewissen Notlage befinde. Aber es ist nun mal so, daß ich hier die
Befehle gebe und also auch bestimme, ob etwas Sinn besitzt oder nicht.«
    Â»Das sehe ich ein«, äußerte Lorenz. »Sie sind die Chefin, ich der
Schuldner. Nur was konkret soll ich tun? Ich kann doch nicht die ganze Zeit
neben Ihnen stehen, oder?«
    Â»Natürlich nicht. Es droht ja auch nicht ständig Gefahr. Menschen
sind wie Tiere. Es gibt Jagdzeiten, und es gibt Ruhezeiten. Und es ist
sicherlich Ausdruck einer dummen Ängstlichkeit und letztendlich einer
Selbstüberschätzung, dauernd und überall eine Gefahr zu wittern. Den Fehler
begehe ich nicht. Ich bin immer nur dann ängstlich, wenn es sich auch lohnt.«
    Â»Und wann lohnt es sich?«
    Â»Schon bald. Sie kennen sicher das Prinzipal ?«
    Â»Nur vom Hörensagen. Das ist keine Adresse für mich, wie Sie sich
denken können.«
    Â»Sicher. Doch heute abend werden Sie dort sein.«
    Â»Um Sie zu retten?«
    Â»Vielleicht. Es wird ein Treffen geben, später am Abend, mehrere
wichtige Leute. Leute, die meinen, die Welt in ihren Händen zu halten. Und ein
wenig tun sie das ja tatsächlich, wobei sie nicht begreifen, wie sehr sie dabei
höheren Mächten dienen. Jedenfalls kommen diese Herrschaften ganz inoffiziell
zusammen. Kein Staatsschutz, nur ein paar Leibwächter, mehr Dekoration als
sonstwas.«
    Â»Und was haben Sie mit denen zu tun?«
    Â»Sie halten mich für ihre Muse«, erklärte Montbard und war jetzt so
kalt und unbeugsam und schön wie immer. Ein

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