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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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den neuen Gast an seinen Tisch geführt hat, rufe
ich ihn zu mir. Gemeinsam sehen wir in der Reservierungsliste nach. Da steht
es: Lorenz Mohn.
    Boris meint, er hätte den Typen noch nie gesehen und wüßte auch
nicht, wer das sei.
    Nun, ich weiß es leider ganz gut. Ja, Lorenz Mohn ist tatsächlich
der Mann, der vor Jahren das Geschäftslokal der ehemaligen Bäckerei Nix
übernommen hatte – einschließlich des Raums, in dem Nix auch nach der Kündigung
des Mietvertrags mit seinen echten und unechten Fossilien zugange gewesen war.
Man hatte Mohn verdächtigt, Nix getötet zu haben. Aber so blöd war nicht einmal
die Wiener Polizei gewesen, einen Mann überführen zu wollen, dessen Schuld einzig
und allein darin bestanden hatte, sich ins falsche Bett gelegt zu haben. (Wobei
ich erwähnen muß, daß die Ermittlungen in erster Linie von einem jungen
Griechen geführt worden waren.)
    Schön und gut, das ist einige Zeit her. Und im Grunde braucht es
nicht zu irritieren, daß es im Laufe der Jahre mal vorkommt, daß man sich über
den Weg läuft. Ich, der wahre Mörder, und Mohn, der doch die Zusammenhänge gar
nicht ahnen kann. Allerdings beantwortet das die Frage nicht, was er hier, im Prinzipal , verloren hat. Er ist keiner von den Reichen und
Prominenten. Zudem ist es eigentlich unmöglich, auf die Reservierungsliste zu
gelangen, wenn nicht ich persönlich es vorher
absegne. Oder Claire, von der ich meine diesbezüglichen Anweisungen erhalte.
Ja, Claire…!?
    Verdammt, Claire!
    Wir werden sie heute töten. Wobei ich der letzte bin, der das
möchte. Ein Scheißbefehl ist das. Von ganz oben . Die
auf X spinnen. Es herrscht dort neuerdings ein rabiates Gehabe, eine
Exekutionsmentalität. Ein vehementes Bedürfnis, Köpfe rollen zu lassen.
Beziehungsweise mittels des Rollens fremder Köpfe die eigenen Köpfe zu retten.
Man könnte sagen: Eine Verweltlichung von X geht vonstatten. Wir, die wir uns
den Menschen so überlegen fühlen und an denen wir bloß unseres Problems mit den
Vögeln wegen ein gewisses Interesse entwickelt haben, wir werden ihnen, vor
allem ihren Anführern, immer ähnlicher. Ja, die dort oben auf X meinen es ernst
mit dem Köpferollen. Sie wollen, daß Claire liquidiert wird. So in der Art von Ritschratsch! und Punktum! und Deckel drauf!
    Dabei ist nicht einmal klar, was wirklich geschehen ist. Wieso es
jener Besatzung, die vor sieben Jahren in einem von Wasser angetriebenen und
von Strudeln zusammengehaltenen Raumschiff in den Morgenhimmel über Mount Hood
stach und eine Reise quer durch unser bisolares System antrat, wieso es ihr
nicht gelungen ist, die auftragsgemäße Zerstörung der amerikanischen Plutosonde
zu bewerkstelligen. Im Grunde eine Kleinigkeit, als wollte ein intelligentes
Wesen einen Lego-Roboter demolieren. Doch das stärkste Merkmal von Intelligenz
ist noch immer ihre Fehleranfälligkeit. Die moderne Technik definiert sich
geradezu über ihre Mißgeschicke. Jedenfalls scheint es, als hätten sich die
»intelligenten Wesen« kräftig verspekuliert. Man hat das Ziel verfehlt. Und
keine Chance, das Mißgeschick auszubügeln. Denn die vorrangige Aufgabe dieser
Mission besteht natürlich weiterhin darin, einen Vogel und einen Picasso in der
Heimat abzuliefern und in der Folge die Welt auf X davor zu bewahren, im
Vogeldreck unterzugehen.
    Was nun auch immer der Grund war: NASAs Zwergplanetensonde ist
nicht zerstört worden. Und darum haben die Menschen auf der Erde erfahren, daß
dort oben etwas nicht ganz koscher ist.
    Na und? frage ich. Was ist denn so schlimm daran? Schließlich dürfte
es der Menschheit einige Schwierigkeiten bereiten, die gleichen
Spielzeugroboter, die schon auf dem Mars gelandet sind, um dort mit der
Umständlichkeit ferngesteuerter Toys’R’Us-Bagger die Frage nach Wasser mal so
und mal so zu beantworten, jetzt auch noch auf Pluto abzusetzen. Nein, der
Schaden ist wirklich nicht so groß. Kein Grund zumindest, jemanden auf diese
fatale Weise zur Verantwortung zu ziehen.
    Aber diese Irren tun es. Sie meinen, Claire müsse als die Schuldige
herhalten. Obgleich es ja gerade sie gewesen ist, die entgegen meiner
»Sabotage« den Start samt der wertvollen Ladung erst ermöglicht hat. Egal, das
scheint nicht zu zählen. Vielleicht geht es auch um ganz andere Dinge, was nun
ebenfalls auf eine Vermenschlichung der

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