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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Glasaugen und Glashaut, zerbrechlich also. Sie trug
ein leichtes Sommerkleid, unter welchem ihr Körper hin- und herzuschwingen
schien, gleichmäßig pendelnd. Sie hatte das halblange, glatte, blau gefärbte
Haar zu einem Zopf gebunden. Das Blau paßte ihr, hatte nichts Punkiges, nichts
Synthetisches, wirkte so, als sei Blau eine ganz natürliche Haarfarbe; helles
Haarblau, wie es eben bei gewissen Menschen vorkommt. Ihre perfekten Beine –
man hätte diese Beine sofort in die Werbung schicken können – standen eng
aneinander, die Hände lagen im Schoß, bildeten zwei lockere Fäuste, sodaß
Lorenz das Aussehen der Finger nur schätzen konnte. Wahrscheinlich Finger fürs
Klavier und zum Tragen von Ringen, dachte er, obgleich diese Frau mit
Sicherheit keinen Ring trug, so wie sie keine Uhr trug, keinen Armreifen, keine
Kette, überhaupt keinen Schmuck. Brauchte sie auch nicht, denn sie besaß auf
der linken Seite ihres schmalen Halses vier Muttermale, zwei größere in kurzem
Abstand zueinander, und in geringer Entfernung dazu noch zwei kleinere. Es sah
wirklich hübsch aus. Lorenz starrte viel zu lange auf diese Konstellation am
Hals der jungen Frau, während er damit beschäftigt war, klarzustellen, sicher kein Bäcker zu sein, sondern… Würden die beiden
Frauen ihn auslachen? Egal, er offenbarte, daß er dort, wo einst die Bäckerei Nix gewesen war, demnächst ein
Handarbeitsgeschäft, einen Kurzwarenladen, eröffnen würde.
    Â»Sie schwindeln mich an«, sagte die Raucherin und lachte ein fettes
Lachen, das sich um den Zigarettenqualm herumwand, solcherart die Doppelhelix
eines DNA-Strangs bildend, den DNA-Strang dieser Frau.
    Â»Es wäre ziemlich dumm«, meinte Lorenz, »eine Frau wie Sie
anschwindeln zu wollen.«
    Â»Das stimmt«, antwortete sie, ohne es irgendwie lustig zu meinen.
»Und Sie denken im Ernst, so was lohnt sich? Was glauben Sie denn, wieviel Sie
mit einem solchen Laden verdienen können?«
    Â»Wollte ich reich werden, müßte ich sicher etwas anderes tun.«
    Â»Es wird schwierig werden, überhaupt zu überleben«, prophezeite die
Frau und zerdrückte die Zigarette mit einer überraschend liebevollen Geste im
Aschenbecher. Wie man jemanden tötet, den man mag, wirklich mag und nicht nur
so dahingesagt.
    Lorenz äußerte, überzeugt zu sein, daß sein Geschäft ankommen werde.
Er habe vor, die edelste Wolle zusammenzutragen, die es gäbe. Und er habe vor,
ein ganz spezielles Klima zu schaffen, eine Oase, eine Insel…
    Â»Ein Lazarett für einsame Frauen«, kommentierte die Raucherin.
    Â»Für manche wird es ein Lazarett sein«, bestätigte Lorenz. »Warum
nicht?«
    Â»Eine schöne Idee.« Es war die andere, jüngere Frau gewesen, die das
gesagt hatte. Zu den Glasaugen und der Glashaut kam jetzt noch die Glasstimme.
Aber der Eindruck des Zerbrechlichen fehlte. Es gab ja auch Glas, auf das man
hämmern konnte, bis einem der Arm abfiel.
    Â»Das freut mich, daß Sie das so sehen«, erklärte Lorenz.
    Doch die große, wuchtige Frau fuhr dazwischen: »Meine Schwester
neigt manchmal zur Naivität.«
    Schwestern? Lorenz wollte nicht glauben, daß die beiden Schwestern
waren. Unterschiedlicher konnten zwei Frauen gar nicht sein. Zudem schienen sie
altersmäßig weit auseinanderzuliegen. Wenn schon, dann Mutter und Tochter. Aber
selbstredend vermied er es, seine Verblüffung zu zeigen. Statt dessen nannte er
seinen Namen.
    Â»Und Sie denken also«, sagte die Raucherin, ohne sich ihrerseits
vorzustellen, »Sie müßten sich mit uns anfreunden, nur weil Sie hier ein
Geschäft aufmachen?«
    Â»Ich…habe mir das Haus angesehen, und da kam
ich in Ihren Garten. Ich glaube allerdings nicht, daß ich mich Ihnen
aufgedrängt habe.«
    Â»Sie sind ein komischer Heiliger«, sagte die Frau, die sich eine
neue Zigarette anzündete, es sich nun aber doch überlegte und erklärte, sie
heiße Lou, ihre Schwester Serafina, wobei die meisten sie Sera rufen würden.
Lou und Sera Bilten. Sie würden beide in diesem Haus wohnen. Ein erstaunliches
Haus. Er werde sich noch wundern.
    Â»Bilten?«
    Â»Der Name stammt von einem Ort in der Schweiz. Aber Sie hören ja,
daß wir keine Schweizer sind. Gott sei Dank. Berge sind nicht gut für Menschen.
Darum auch diese verschrobenen Dialekte. Man kriegt Kopfweh vom

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