Gewitter über Pluto: Roman
eigentlich alles abhanden gekommen
waren, nicht mehr anders zu helfen gewuÃt, als eine Bombe zu zünden. Das ist
kein Witz. Es war in der Tat geschehen, daà Fritz, wenngleich im Zuge einiger
unglücklicher Fügungen, während einer Feierstunde in einem Museum, dort, wo
auch Sheila mit ihrem neuen Mann gewesen war, einen Sprengsatz zur Explosion
gebracht hatte. Danach war seine Frau tot gewesen und er selbst schwerverletzt,
zudem ein verurteilter, in psychiatrische Abgeschlossenheit überwiesener
Schwerverbrecher. â Das Heiratsinstitut freilich, das die beiden
zusammengeführt, geradezu verkuppelt hatte, wurde in keiner Weise für die
Folgen dieser Verkupplung zur Verantwortung gezogen. Wenn dagegen ein
Autohersteller einen Wagen produziert, dessen Konstruktion tödliche Unfälle
hervorruft, oder etwa ein Schnitzelwirt vergiftete Schnitzel unter die Leute
bringt, so werden diese Unternehmer sicher mit juridischen Konsequenzen zu
rechnen haben. Gleich, ob sie jetzt Mercedes heiÃen oder der König der
Schnitzelwirte sind. Heiratsinstitute aber scheinen sich in einem vollkommen
rechtsfreien Raum zu bewegen. Dabei wäre ihre Verantwortung die allergröÃte.
Denn sie vermitteln quasi das Leben. Wenn ihre Vermittlung jedoch nicht das
Leben, zumindest nicht das versprochene gute Leben
nach sich zieht, sondern Unglück und Elend und hohe Kosten, im konkreten Fall
sogar den Tod des einen und die lebenslängliche Verwahrung des anderen
Partners, dann sollte eigentlich so etwas wie eine Haftung erfolgen. Aber nein,
dieselben Heiratsinstitute, die vorher so tun, als könnten sie die menschliche
Seele bis in den letzten Winkel durchleuchten und als seien sie Experten in der
Beziehungsmathematik, geben sich im Zuge erfolgter Katastrophen als unbedarft,
ja stellen sich geradezu blöd und taub und unschuldig.
Â
 »Was für eine
saublöde Geschichte!« rief Lou Bilten aus. »Wo soll das passiert sein? Hier in
unserer Stadt? Davon hätten wir doch wohl gehört, nicht wahr?«
»Man erfährt nicht alles, was geschieht«, erwiderte Lorenz. »Eher
erfährt man von den Dingen, die nicht geschehen.«
»Sie machen es sich ganz schön einfach, mein Lieber. Tischen uns ein
Märchen mit einer Bombe auf und reden dann von der dunklen Seite der Macht, die
unsere Welt manipuliert. Der Pornostar als Sozialkritiker.«
»Weder noch. Nie ein Star und nie ein Kritiker«, versicherte Lorenz.
»Das Kritische steckt mir nicht im Herzen. Ich war schon als Jugendlicher zu
müde für jegliche Revolution.«
»Sie meinen, zu faul.«
»Nein, ich meine, zu müde. Das ist ein Unterschied. Manche Menschen
kommen müde auf die Welt. Und selbst erzwungener Fleià kann sie über diese
Müdigkeit nicht hinwegtäuschen.«
Es war jetzt wieder Sera, die sich in der üblichen verhaltenen,
gleichzeitig prägnanten, man könnte sagen, geradezu chemischen Weise ins
Gespräch brachte, indem sie Lorenz fragte, wie gut er diesen Mann kenne, diesen
Fritz.
»Nun, er ist eher der Freund eines Freundesâ¦Â«
»So dachte ich mir das schon«, höhnte Lou und blies Rauch aus ihrem
Mund, der im warmen Wind die Form eines Verkehrsschilds annahm. GewissermaÃen
ein Halteverbot für Lorenz. Welcher jedoch beteuerte, daà die Geschichte
trotzdem stimme. »Ich denke mir so was nicht aus, nur um mich wichtig zu
machen.«
»Sicher nicht«, besänftigte Sera. »Derartige Dinge geschehen. Nicht
immer so dramatisch. Andererseits gibt es Schlimmeres als Bomben, die auch
explodieren. Ich muà das leider so sagen, aber es bestehen eine Menge Ehen, da
würden sich die Beteiligten einen Sprengsatz wünschen, damit die Tragödie
endlich ein Ende hat.«
»Das ist zynisch«, sprach Lou zu ihrer Schwester und gab ihrem
fetten Körper einen kurzen StoÃ, wie eine Billardkugel, die sich eigenständig
ein kleines Stück bewegt und die umstehenden Spieler in baffes Erstaunen
versetzt. Die Kugel lebt!
Sera entgegnete: »Zynisch ist es, das Leben um jeden Preis erhalten
zu wollen. Allerdings wäre es fein, könnten wir Bomben bauen, welche keinen
anderen Schaden anrichten, als schlechte Ehen zur Explosion zu bringen.«
»Ja«, lachte Lorenz. »Für jede ungute Sache in der Welt eine eigene
Bombe.«
»Zum Beispiel für die Pornographie«, schlug Lou vor und setzte die
Billardkugel ihrer selbst
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