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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Männer, die stellen sich nicht nur dumm an, sie sind
es tatsächlich. Irgendwas im Hirn fehlt ihnen. Dieses fehlende Etwas bringt es
mit sich, daß sie einfach nicht in der Lage sind, Geschirr abzuwaschen, eine
Waschmaschine zu füllen, einen Wasserkocher in Betrieb zu nehmen und eine
vollgeschissene Windel so zusammenzulegen, daß nicht überall die Kacke
herausquillt. Man kann sich mit diesen Männern noch so sehr Mühe geben – und
vielleicht geben sogar sie selbst sich redlich Mühe –, es klappt nicht. Diese
Männer haben nicht nur zwei linke Hände, sondern wahrscheinlich auch zwei linke
Augen und zwei linke Ohren, ja zwei linke Gehirnhälften. Und es darf gar nicht
wundern, daß Farbenblindheit vor allem bei Männern anzutreffen ist.
    Mit Faulheit hat das alles nur insofern zu tun, als daß viele Männer
ihre Unfähigkeit, ihr vollkommenes Unvermögen, einen frisch gewaschenen
Pullover nach einfachen Regeln zusammenzulegen und nach nicht minder einfachen
Regeln im richtigen Fach unterzubringen, dadurch zu tarnen versuchen, daß sie
vorgeben, faule Hunde zu sein oder sich zu gut für eine solche Arbeit. Lieber
markieren sie den arroganten Macho, den in seiner Firma unabkömmlichen
Geschäftsmann, den fettgefressenen Pantoffelprolo oder das weltfremde Genie,
bevor sie zugeben, daß irgendein Defekt in ihrem Hirn es ihnen verunmöglicht,
einen Haushalt zu führen, Kinder zu versorgen oder auch nur eine Klobrille
hochzuheben. Im Grunde handelt es sich hierbei um behinderte Männer. Doch wer
möchte schon als behindert gelten? Dann lieber ein Arschloch sein.
    Nun wollte Viktor zwar gar kein Arschloch sein, aber seine
Unfähigkeit, einen Zweijährigen zu versorgen, war eklatant. Da half
ebensowenig, daß Paul tagsüber bei einer Pflegemutter untergebracht war. Der
Abend, die Nacht, der Morgen genügten zur Katastrophe. Man kann sagen, das Kind
war gefährdet, in seiner Entwicklung und in seiner Gesundheit. Zudem versteht
sich, daß Viktor nur noch tiefer in seine Programmiererei flüchtete. Paul war
somit ein Kind, dessen Mutter in Schweden und dessen Vater im Computer
untergetaucht waren.
    Weshalb es notwendig wurde, daß die beiden Schwestern Lou und Sera
darangingen – nicht zuletzt, um einer Intervention der Behörde zuvorzukommen –,
die Pflege des Kindes zu übernehmen, bald auch tagsüber. Beide hatten Berufe,
waren allerdings überaus flexibel. Beziehungsweise bemühten sie sich um eine
solche Flexibilität. Und beiden war es möglich, Paul auch während der Arbeit zu
betreuen. Entweder nahm Sera Paul in ihr Heiratsinstitut mit – im Grunde ein
kleines, bequemes Büro – oder Lou ihn in ihre Kunstschule. Man kann sich
vorstellen, daß der Kleine da wie dort ein Objekt der Begierde darstellte,
gewissermaßen einen einpersonigen Streichelzoo bildete, ein Anschauungsobjekt
für angehende Eheleute und in anderer Weise auch ein Anschauungsobjekt für
angehende Kunstschaffende. In jedem Fall ein Kind, das einige Aufmerksamkeit
auf sich zog. Umsomehr, als er einer von der herzigen und sonnigen Sorte war,
so ein kleiner Blonder mit großen Mandelaugen und roten Backen.
    Dann kam der Kindergarten, und er lernte ein paar Schimpfwörter.
Trotzdem blieb er ein freundliches und liebenswertes Kind. Dann kam die Schule,
wo die Kinder hingehen, damit sie lernen, zwischen Arbeitswoche und Wochenende
zu unterscheiden.
    Paul war jetzt achtjährig und besuchte die zweite Klasse der
Grundschule. Er gehörte zu den hellen Köpfen, hatte aber mitunter
Schwierigkeiten, sich verständlich zu machen. Nicht, weil es ihm an
Ausdruckskraft fehlte. Doch er war sich öfters unsicher, unterbrach sich gerne,
korrigierte das Gesagte, nicht selten erst solcherart einen Fehler machend. Man
kann sagen, daß seine Persönlichkeit fortgesetzt zwischen den Anforderungen
einer Heiratsvermittlung und einer Kunstschule pendelte. Es steckte ein
besänftigend vermittelnder Geist in ihm ebenso wie ein rebellisch kreativer.
Anders gesagt: einerseits ein verbindendes Band, andererseits eine schneidende
Schere. Aber im Grunde lief die Sache bestens. Paul war ein behütetes Kind,
ohne unter dem gewaltigen Hintern einer Glucke zerdrückt zu werden. Sowohl Sera
als auch Lou verwechselten ihr Herz niemals mit ihrem Hintern.
    Und Viktor? Nun, der Vater des Kindes versank immer mehr in den
virtuellen Welten

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