Gewitter über Pluto: Roman
für die Existenz einer
zweiten, gewissermaÃen antipodisch gelegenen Sonne erbrachte. Für eine gewisse
Zeit entbrannte eine groÃe Euphorie, ein Interesse am Exotischen. Man entwarf
neue, ausdauernde und eher »familiär« gestaltete Raumschiffe und schickte kleine
Besatzungen los, die gemäà den Entfernungen recht lange unterwegs waren. Aber
eine Spanne von dreiÃig, vierzig Jahren ist natürlich angesichts einer im
Bereich der Tausend stehenden Lebenserwartung viel leichter zu verkraften, als
wenn ein Mensch sein halbes Leben opfern müÃte, um den gröÃten Teil der Zeit
durch eine leere Schwärze zu segeln.
Vor etwa fünfhundert Jahren war es dann so weit, daà eine
erste Expedition die Erde erreichte und dank einer so einfachen wie
raffinierten Nachrichtenübermittlung einen Bericht über diesen Planeten
lieferte. Was uns logischerweise sofort beeindruckte, war der Umstand, daà die
Menschheit keine Probleme mit ihren Vögeln zu haben schien. Allerdings
irritierte und erschreckte uns die geringe Lebenserwartung der Erdenbewohner.
Gerade darum, weil der Körperbau, die Sprachentwicklung, die diversen Formen
des Zusammenlebens, selbst noch Architektur und Kunst zu der unsrigen so
verwandt anmutete, mitunter sogar vollkommene Ãbereinstimmungen festzustellen
waren, etwa ethnische Merkmale. Die zwei gröÃten Unterschiede ergaben sich also
aus dem Lebensalter und den Vogelpopulationen. Wir überlegten darum, ob die
Kurzlebigkeit der Menschen in einem kausalen Zusammenhang zur fehlenden
Dominanz der Vögel stand. Was wiederum hätte bedeuten müssen, daà wir unsere
eigene Langlebigkeit mit einem ornithogenen Fluch bezahlten.
Aber das blieb alles Spekulation. Völlig klar war dagegen,
daà der technische Fortschritt auf der Erde in den nächsten Jahrhunderten enorm
sein würde, während der eigene trotz aller Bemühungen stagnierte. Was von
einigen Kritikern mit dem geringen Auftreten von Kriegen oder kriegerischen
Konflikten auf unserem Planeten in Zusammenhang gebracht wurde. Ja, es
formierte sich eine Bewegung, die den Krieg aus Gründen der Vernunft forderte.
Und wenn nicht Krieg im eigenen Land, auf dem eigenen Kontinent, der eigenen
Welt, dann vielleicht wenigstens Krieg mittels des Versuchs, die weit entfernte
Menschheit zu erobern. Doch dies war illusorisch. Wir wären nie in der Lage
gewesen, die Unmenge von Kriegsmaterial quer durch das Sonnensystem zu
transportieren, abgesehen von den Heeren kriegsmüder Soldaten. Und wozu? Um
Rohstoffe zu rauben, über die wir selbst in ausreichendem MaÃe verfügten? Um
Kunstwerke zu plündern, wo doch schon damals unsere Museen vor Kunst
überquollen? Um des Brandschatzens willens? Nein, die Kriegsbewegung blieb eine
kleine Gruppe idealistischer Spinner. Während von offizieller Seite beschlossen
wurde, auf einen direkten Kontakt mit der Menschheit zu verzichten, sie aber
aus Sicherheitsgründen im Auge zu behalten.
Man schickte Agenten auf die Erde, die sich problemlos unter das
jeweilige Volk mischten, unauffällige Existenzen gründeten, ihre Beobachtungen
niederschrieben und darauf warteten, ausgewechselt zu werden. Kaum jemand
kümmerte sich um diese Berichte, wir hatten unsere eigenen Probleme. Wieviel
Gifte wir auch in Umlauf brachten, die Vögel blieben unbeeindruckt. Wäre es
möglich gewesen, wir hätten sie mit Atombomben bekämpft. Angesichts solcher
Schwierigkeiten lieà es uns völlig kalt, als die Nachricht eintraf, auf der
Erde sei der Erste Weltkrieg ausgebrochen. Wird Zeit, dachten die, die den
eigenen ersten Weltkrieg noch einigermaÃen im Gedächtnis hatten. (Das ist
übrigens ein weiteres Problem, das wir neben der Vogelplage haben: unser
Gedächtnis. Unser hohes Alter kollidiert mit einer Gedächtnisleistung, die
ähnlich gering ist wie beim Menschen. Somit ist es mitunter nicht ganz einfach,
sich daran zu erinnern, was man vor dreihundert Jahren so getrieben hat.)
Der Beginn dieser ersten groÃen, weltumspannenden Schlacht war also
kein Thema für uns. Sehr wohl aber die Mitteilung eines unserer Agenten, die
uns eineinhalb Jahrzehnte später erreichte. Im Grunde waren wir bereits 1905
ein wenig aufgeschreckt worden, als ein Erdenbürger namens Pervial Lowell auf
Grund gewisser Bahnabweichungen des Neptuns auf die Idee gekommen war, es
könnte ein neunter Planet existieren, und sich folglich auf die Suche
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